Das ZEIT-Leserparlament in Köln mit Berichten aus dem Irak und vom Amazonas

Draußen hingen die Winterwolken regenschwer über dem Kölner Schauspiel, doch drinnen  brachen etwa 400 Leserinnen und Leser gemeinsam mit Reportern und dem ZEIT-Chefredakteur zu einer journalistischen Weltreise auf. Die Route des Abends wurde bestimmt durch die Fragen der Zeitungsleser. So begann die Diskussion des Abends in der deutschen Innenpolitik – besonders junge Leser wünschen sich etwa mehr Artikel aus dem Osten der Republik in unserer Zeitung. Wir machten uns gemeinsam auf die Spuren von hunderttausenden Opfern des so genannten Islamischen Staates in den Irak. Dann ging es weiter an die Ufer des Amazonas, wo der unerschrockene Indianerstamm der Tenharim gegen die Zerstörung ihres Lebensraumes ankämpft.  

Ganz besonders freuten wir uns darüber, dass eine musikalische Weltreisende auf der ZEIT-Bühne Halt machte: Y’akoto lebt mal in Akkra in Ghana, mal in Paris und dann wieder in Hamburg. Mit ihrem beschwingten Soul brachte sie das gesamte Kölner Schauspielhaus zum Wippen. In zahlreichen Fotos und mit vier besonders intensiv diskutierten Leserfragen an ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo (zum Nachhören) wollen wir Sie jetzt am ersten Kölner Leserparlament teilhaben lassen. Viel Freude!

Den Anfang machte die langjährige Nahost-Korrespondentin Andrea Böhm. Sie hatte für die Bühne eine Dossier-Recherche aus dem Jahr 2018 vorbereitet. Um den Artikel zu recherchieren, reiste sie mehrmals in den Irak: »Der Irak ist ein einziges Massengrab. Hier wüteten der ›Islamische Staat‹, Al-Kaida und Saddam Hussein.«

Und dennoch sind die Menschen im Irak, die sich diesen Schreckensherrschaften erwehrten, der Grund, warum Andrea den Irak in ihrer Zeit als Korrespondentin am liebsten bereiste. So erzählte sie es im Kölner Schauspielhaus.

© Ina Mortsiefer

Ihr Berichterstattungsgebiet umfasste 18 Länder. Auf dem Bild sehen Sie Andrea Böhm mit Sicherheitsweste während der Recherchereise mit irakischen Forensikern, »die immer noch vor der Aufgabe stehen, Hunderttausende Opfer aus Jahrzehnten zu identifizieren und ihre Überreste nach Hause zu bringen.«

Warum beschäftigt sich Andrea mit dieser Geschichte? Auch Jahre nachdem der mediale Fokus der Weltöffentlichkeit sich vom Irak schon längt abgewandt hat? Andrea Böhm schreibt in ihrem Text die folgende Stelle, die bis heute als Motivation nachhallt: »Ohne die Toten keine Gewissheit für die Familien, keine Beweise eines Verbrechens. Ohne Beweise keine Gerechtigkeit, ohne Gerechtigkeit keine Aussöhnung«.

Lesen Sie Andreas Böhms Dossier »Wo ist Hassan?« hier nach>>

Die zweite Recherche bei »Hinter der Geschichte« live brachte Thomas Fischermann aus dem Wirtschaftsressort der ZEIT auf die Bühne.

Die Hälfte des Jahres ist Thomas »fast« normales Mitglied des Wirtschaftsressorts im Hamburger Helmut Schmidt Haus, in dem unsere Zeitung schon seit über 73 Jahren zu Hause ist. Und das »fast« bezieht sich darauf, dass man mit Thomas nicht nur über die Veränderung des Leitzinses der Europäischen Zentralbank smalltalken kann, sondern sehr schnell im Laufe eines Gespräches auch auf Themen wie diese stößt: Was unterscheidet böse von guten Schamanen? Und wieso versagt fast jede Funktionskleidung gegen Moskitostiche im Dschungel?

Denn die andere Hälfte des Jahres lebt der Wirtschaftsredakteur Thomas Fischermann in Rio de Janeiro. Von dort aus bricht er am liebsten zu Recherchen in die weniger besiedelten Gebiete des südamerikanischen Subkontinents auf. Etwa in die Grenzgebiete der Narcos (über die Drogenrouten schrieb er schon lange bevor Netflix davon berichtete) oder eben an den Amazonas, zu den Tenharim. Der nur etwa 900 Mitglieder zählende Ureinwohnerstamm war wie kaum eine andere Gruppe von den Waldbränden in diesem Jahr betroffen. Und genau davon erzählte Thomas auch in Köln.

Seitdem im Gebiet der Tenharim ein Internet-Sendemast aufgestellt wurde, verstanden es die Ureinwohner äußerst gut, weltweit auf ihre Lage aufmerksam zu machen. So konnten sie Spendengelder einsammeln, um überall dort auf eigene Faust gegen die Brandrodungen vorzugehen, wo sich die Regierung schon längst zurückgezogen hatte.

Lesen Sie hier Thomas Fischermanns Recherche bei den Tenharim, die er über mehr als vier Jahre immer wieder besuchte>>

Im Anschluss an diese zwei Themen-Ausflüge nach Brasilien und in den Irak ging es in der zweiten Hälfte des Abends nur noch um eine Sache: die Fragen der Leser und die Antworten des ZEIT-Chefredakteurs Giovanni di Lorenzo.

© Ina Mortsiefer

Im Folgenden haben wir die vier Leserfragen ausgesucht, die am Abend ganz besonders intensiv diskutiert wurden.

Hoffentlich war bei den Leserfragen die eine oder andere dabei, die Sie sich zum Zeitungmachen auch schon einmal gestellt haben. Falls Ihre Frage noch fehlte, geben Sie sie uns doch jetzt mit, für die Leserparlamente Im Jahr 2020. Einfach per Mail an freunde@zeit.de 

Eine Frage, die uns schon erreichte, möchten wir an dieser Stelle auflösen. Wie leben ZEIT-Reporter bei einer Langzeitrecherche, wie etwa der von Thomas Fischermann bei den Tenharim am Amazonas?

So viel kann verraten werden: Nicht im weißen Hemd mit Jacket darüber. Sondern eher…

… so.

Thomas Fischermann bat uns darum, zu diesem Schnappschuss zu ergänzen, dass der Reporter so nur zu Beginn der Recherche aussah. Die meisten Hightech-Funktionsgegenstände tauschte er sehr bald im Dorf der Tenharim gegen zweckdienlichere Ausstattung direkt aus den Werkstätten der Tenharim ein.

Wie er gegen Ende der Recherche aussah, versprach Thomas uns bei dem nächsten Auftritt »Hinter der Geschichte« live zu zeigen – 2020.

Und da das Beste manchmal zum Schluss kommt, möchte ich Ihnen nun noch die Musik unseres Gastes Y’akoto ans Herz legen.

Auf eine Weltreise für die Ohren nimmt Y’akoto Sie gleich hier >>mit.

© Ina Mortsiefer

Danke allen angereisten Leserinnen und Lesern für Ihre Leidenschaft beim Zeitunglesen und die vielen Anregungen zum Blatt!

Danke an das Kölner Schauspiel, wo wir mit unseren Live-Abenden für die Abonnentinnen und Abonnenten der ZEIT schon häufig zu Gast sein durften.

Wir freuen uns schon auf die nächsten Treffen 2020, wenn wir wieder mit Giovanni di Lorenzos Leserparlament im Norden, Süden, Osten und Westen auf Deutschlandtour gehen werden.

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Fotos: Ina Mortsiefer für DIE ZEIT