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Die Schauspielerin Senta Berger über die Biografie »Maria Theresia – Die Kaiserin in ihrer Zeit« von Barbara Stollberg-Rilinger:

»Barbara Stollberg-Rilinger hat diese Biografie unendlich genau recherchiert und geschichtliche Zusammenhänge hergestellt.«

 

Vor ein paar Monaten hat mir eine Regisseurin einen Film über die letzten Tage der Kaiserin Maria Theresia angeboten. Sehr interessant, mit vielen Details, die mir neu waren. Dass sie sich nach dem Tod ihres Mannes die Haare stoppelkurz hatte abschneiden lassen, dass sie allein stundenlang in der eiskalten Kapuzinergruft, eingehüllt in wärmende Schals, am Sarge ihres geliebten Franzl saß und sich heißen Tee servieren ließ. Alles schöne Bilder. Es war die Sprache, mit der sich die Menschen in diesem Drehbuch unterhielten, die mich störte: Es war unsere heutige Sprache. Was aber war die Sprache, in der Maria Theresia sich unterhielt, welche Sprache war ihre Muttersprache? Ich begann, das Buch »Maria Theresia – Die Kaiserin in ihrer Zeit« von Barbara Stollberg-Rilinger zu lesen – und konnte nicht aufhören damit. Maria Theresias Amme war Wienerin, eine offensichtlich einfache Frau, die fluchen konnte wie ein Kutscher. Maria Theresia konnte das auch. Sie sprach sehr schlecht Deutsch, schlecht Französisch, schlecht Italienisch und mischte all diese Sprachen geläufig zusammen. Ein Film über sie müsste wahrscheinlich Untertitel tragen. Barbara Stollberg-Rilinger hat diese Biografie unendlich genau recherchiert und geschichtliche Zusammenhänge hergestellt. Man muss keine Wienerin sein wie ich und auch nicht wie die Kaiserin am 13. Mai Geburtstag haben, um ganz und gar in die Historie einzutauchen. Aus diesem Buch könnte ein spannender Film werden – wie gesagt, mit Untertiteln.
Ob dieses Buch gerade aktuell ist? Ja und Nein. Es ist interessant zu erfahren, welche Klassen­unterschiede im Absolutismus gemacht wurden – zwecks Erhaltung der Macht. Es ist interessant zu erfahren, welche Doppelmoral die Kirche, der Klerus und die adligen Kirchgänger gelebt haben. Es ist interessant zu sehen, welche religiösen Gründe für die entsetzlichsten Kriege vorgeschoben wurden. Und natürlich ist es interessant zu wissen, welche Fortschritte unsere Gesellschaft seit Maria Theresias Zeiten gemacht hat.

Nicht empfehlen würde ich die Lektüre all jenen, die sich an Bestsellerlisten halten. Um mein Bett herum liegen viele Bücher zur Auswahl. Ich genieße es, in diesem und jenem Buch zu lesen, zu »naschen«. In meiner Kindheit und Jugend konnte ich aus der Gemeindebibliothek Bücher ausleihen. Immer nur zwei oder drei auf einmal – mit Rückgabetermin. Die Freiheit, heute ohne Druck und auch nicht für eine Prüfung lesen zu müssen, sondern zu dürfen, genieße ich. Ich habe mir vorgenommen, in der mir verbleibenden Zeit so viele Bücher wie möglich aus unseren Bücherschränken noch einmal zu lesen. Die Bücher, die in meinem Zimmer aufgebaut auf mich warten, sind zum Beispiel Elias Canettis Autobiografie, besonders der erste Teil, »Die gerettete Zunge«, »Marie Antoinette« von Stefan Zweig, »Die Wasserfälle von Slunj« von Heimito von Doderer. Dazu natürlich auch Werke zeitgenössischer Autoren wie »Erfindung einer Sprache« von Wolfgang Kohlhaase und von Götz Aly »Das Prachtboot«. Das Schönste ist, dass niemand kommt und sagt: Senta, du musst die Bücher zurückbringen!

»Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann« unter diesem Titel beschreibt Senta Berger in poetischer Sprache ihre Wiener Kindheit und Jugend und die ersten Jahre als Schauspielerin in Hollywood. Später, nach ihrer Rückkehr nach Europa, wurde sie berühmt – dank Fernsehserien wie »Kir Royal« und »Die schnelle Gerdi«. Bis vor Kurzem ermittelte sie in der Rolle der Kriminalrätin Eva-Maria Prohacek in »Unter Verdacht«. Anlässlich ihres 80. Geburtstags im Mai strahlte das ZDF kürzlich den Film »An seiner Seite« aus – im realen Leben ist Senta Berger seit 1966 Ehefrau von Michael Verhoeven. Über Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen durch männliche Kollegen berichtete sie kürzlich in einem ZEIT-Interview. Viele Jahre lang fungierte sie als Präsidentin der Deutschen Filmakademie.

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