
© privat
Die Schriftstellerin Antje Rávik Strubel über den Roman »Wer hat Bambi getötet?« von Monika Fagerholm:
»Sie schreibt in einem unverwechselbaren Sound, der sich sofort ins Ohr schraubt, punkig, bissig, zärtlich, mit einer Musikalität, die die Handlung in einem atemlosen Erzählfluss präsentiert.«
Das schönste und mir derzeit liebste Buch, das ich von Herzen empfehlen möchte, hatte ich das Glück, übersetzen zu dürfen: »Wer hat Bambi getötet?« von der finnlandschwedischen Autorin Monika Fagerholm. Was für eine grandiose Entdeckung das für mich war! Dabei ist Monika Fagerholm nur in Deutschland noch beinahe unbekannt. In Skandinavien gehört sie zu den Großen und erhielt für »Wer hat Bambi getötet?« den Preis des nordischen Rates, eine Art skandinavischer Pulitzerpreis. Sie schreibt in einem unverwechselbaren Sound, der sich sofort ins Ohr schraubt, punkig, bissig, zärtlich, mit einer Musikalität, die die Handlung in einem atemlosen Erzählfluss präsentiert: ein Villenviertel bei Helsinki, eine Gruppe Jugendlicher, zwei befreundete Mütter und ihre Söhne Gusten und Nathan, die in ein Verbrechen verwickelt sind; der eine Anführer, der andere Mittäter. Vor dem Hintergrund dieser Vorstadtidylle mit Abgründen erzählt Fagerholm empfindsam von Freundschaft und Liebe, griffig und böse von Scheinheiligkeiten und Heuchelei, entwirft aufregende, differenzierte Frauenfiguren und lässt wie nebenbei immer wieder die finnische Landschaft aufleuchten.
Fagerholm hat das Zeug, Stimmung und Erfahrungswelt einer jungen Generation ganz nah zu kommen und dabei mit zeitlosen klassischen epischen Elementen zu spielen. Mir war, als hole sie Wedekinds »Frühlings Erwachen« anspielungsreich ins 21. Jahrhundert.
Dabei wird das Zeitgeschehen wie nebenbei im Text virulent: Das Verbrechen ereignet sich kurz vor der Finanzkrise 2009. 2014, das Jahr, in dem der Roman spielt, sind im Putz der Villen bereits Risse erkennbar. Die Blogger-Szene, neoliberale Dogmen kommen zur Sprache. »Wer hat Bambi getötet?« erzählt letztendlich witzig und poetisch von unserer Gegenwart, in der die Wahrheit einmal mehr auf dem Spiel steht und sich die Erfahrung von Freiheit und Selbstverwirklichung zwischen den Geschlechtern nach wie vor krass unterscheidet. Und nicht zuletzt stellt Fagerholm die Frage: Wie viel »rape« verdrängt unsere »culture«?
Fagerholm hat das Zeug, Stimmung und Erfahrungswelt einer jungen Generation ganz nah zu kommen und dabei mit zeitlosen klassischen epischen Elementen zu spielen. Mir war, als hole sie Wedekinds »Frühlings Erwachen« anspielungsreich ins 21. Jahrhundert.
Dabei wird das Zeitgeschehen wie nebenbei im Text virulent: Das Verbrechen ereignet sich kurz vor der Finanzkrise 2009. 2014, das Jahr, in dem der Roman spielt, sind im Putz der Villen bereits Risse erkennbar. Die Blogger-Szene, neoliberale Dogmen kommen zur Sprache. »Wer hat Bambi getötet?« erzählt letztendlich witzig und poetisch von unserer Gegenwart, in der die Wahrheit einmal mehr auf dem Spiel steht und sich die Erfahrung von Freiheit und Selbstverwirklichung zwischen den Geschlechtern nach wie vor krass unterscheidet. Und nicht zuletzt stellt Fagerholm die Frage: Wie viel »rape« verdrängt unsere »culture«?
Die Buchpreisträgerin Antje Rávik Strubel machte nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung zur Buchhändlerin, bevor sie in Potsdam und New York Literatur und Amerikanistik studierte. Ihren ersten Roman »Unter Schnee« veröffentlichte sie 2001. Für den Roman »Blaue Frau« erhielt sie 2021 den Deutschen Buchpreis. Gestern erschien ihr neuer Essay-Band »Es hört nie auf, dass man etwas sagen muss«. Besonders lesenswert auch das Gespräch von ZEIT-Autorin Jana Hensel mit der Schriftstellerin und Übersetzerin aus dem vergangenen Jahr über das Machtgefälle zwischen Frau und Mann – und zwischen Ost und West.