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Die Schauspielerin Lara Mandoki über den Roman »Verlockung« von János Székely:

 

»Ein sehr genauer und umfangreicher Blick ins Europa der 1920er-Jahre«

 

Das Buch in einem Satz 
Ein ebenso sinnliches, spannendes wie inter­es­san­tes Fenster in eine Zeit vor hundert Jahren mitten in Europa, die so fern und gleich­zeitig erschreckend nah ist.

Wie sind Sie auf das Buch gekommen? 
János Székely ist ein unga­ri­scher Autor. Da ich Ungarin bin und sehr gerne his­to­rische Bücher lese, hat mich dieses Buch sofort inter­es­siert. Ich habe es aller­dings in der deutschen Über­setzung von Ita Szent-Iványi gelesen, die ich sehr gelungen finde.

Was macht das Buch für Sie gerade jetzt aktuell? 
Die beiden Haupt­figuren, eine sehr wohl­ha­ben­de mittel­alte Dame aus der Ober­schicht und ein 17-jähriger Hotel­page aus den ärmsten Ver­hält­nissen, begegnen sich in einem Hotel im Budapest der 1920er-Jahre. Mitten in einem Europa, das zu­nehmend faschis­tischer wird, in einem rechts­national regierten Ungarn unter der Herrschaft des Reichs­ver­wesers Hórthy. Nicht nur das macht das Buch so aktuell, sondern auch die Be­geg­nung der beiden Haupt­figuren, die so zeit­los ge­schrie­ben ist. Die Be­ziehung zwischen der Gräfin und dem Lift­boy Béla ist so in­ten­siv und sinn­lich be­schrieben, dass es jeder­zeit an jedem Ort zu dieser Be­geg­nung kommen könnte.

Wen würden Sie vor dem Buch warnen und warum? 
Es hat 809 Seiten – insofern sollte man Lust auf ein langes Buch haben. Wenn man nur eine kurz­weilige Geschichte sucht, ist es wahr­schein­lich nicht das richtige. Und man sollte ein gewisses Interesse für Historie mit­bringen.

Was bleibt nach dem Lesen? 
Die Erkenntnis, dass der Mensch egal in welchem Jahr­hundert oder Jahr­zehnt wohl immer gleich fühlt, begehrt und liebt. Gleich­zeitig ein sehr genauer und um­fang­reicher Blick ins Europa der 1920er-Jahre und auch die schmerz­volle Er­kennt­nis, dass sich wohl damals niemand hat vor­stellen können, welch mensch­ver­ach­tende Dys­topie folgen würde.

Haben Sie beim Lesen des Buches etwas Neues (über sich) gelernt? 
Ja, ich hatte teil­weise das Gefühl, meiner eigenen Familie zu be­geg­nen und in die Welt meiner Ur­groß­eltern ein­zu­tauchen und besser zu ver­stehen, was sie damals be­wegt und ge­prägt hat. Es er­in­ner­te mich an Geschichten von Vor­fahren, die ich als Kind immer wieder ge­hört habe.

Wenn Sie mit einem Charakter aus dem Buch tauschen könnten, welcher wäre das und warum? 
Der Autor János Székely ist, nach­dem er auf der Flucht vor Nazi­deutsch­land nach Amerika ins Exil gehen musste, Dreh­buch­autor geworden und hat auch einen Oscar ge­won­nen. Die Figuren in seinen Romanen sind sehr drei­di­men­sio­nal und filmisch geschrieben. Sämt­lich Figuren sind am­bi­va­lent, man ist also ständig damit beschäftigt heraus­zu­finden, ob man sie jeweils mag oder eigent­lich nicht. Diese Am­bi­va­lenz macht Figuren für mich als Schau­spielerin immer besonders inter­es­sant, genauso die Tat­sache, dass alle Figuren exis­ten­ziel­le Themen ver­handeln. Die beiden weib­lichen Haupt­figuren, die reiche Gräfin, die sich alles nimmt, was sie will, da es ihr ver­meint­lich per Geburt zusteht, und die arme Mutter von Béla, die jeden Tag um ihr Über­leben und viel mehr noch um das Über­leben ihres Sohnes kämpft, könnten gegen­tei­liger nicht sein. Doch ver­bindet sie beide, dass sie im Kern sehr un­glück­lich sind. Somit weiß ich, mit wem ich un­gerne tauschen möchte.

Wo lesen Sie am liebsten und warum? 
Das ist voll­kommen unter­schied­lich. Da mein Alltag berufs­be­dingt sehr wechsel­haft ist, manch­mal bin ich monate­lang zu Hause manchmal monate­lang unter­wegs, wechseln auch meine Lese­ge­wohn­heiten. Aber eigent­lich immer abends und auch im Zug.

Und was lesen Sie sonst so?  
Neben Dreh­büchern freue ich mich als Nächstes auf »Freiheitsschock« von Ilko-Sascha Kowalczuk, ein Sach­buch, wobei die Romane auf jeden Fall dominieren.

 

Lara Mandoki ist bekannt ge­wor­den durch ver­schie­de­ne Rollen in Film und Fern­sehen. Darunter etwa die Sky-Serie »Das Boot« oder un­längst die doku­men­ta­rische Drama-Serie »Die Spaltung der Welt: 1939 bis 1962«. Außer­dem spielt sie in der ZDF-Serie »Erzgebirgskrimi« seit 2018 die Haupt­kom­mis­sa­rin Karina Szabo. Die neue Folge »Wintermord« läuft am 01.03.2025 im ZDF.

 

Verlockung

János Székely (2016)

 

 

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