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Der Autor Volker Kutscher über »Die Entscheidung« von Jens Bisky:

 

»Ein Sachbuch, das sich liest wie ein guter Roman. Wie ein spannender Roman.«

 

DWas ich gerade lese? Tja, wie immer liegt so einiges auf meinem Nacht­tisch, und so wollte ich eigent­lich ein paar Zeilen über einen Roman schreiben, über Wolf Haas’ »Wackel­kontakt«, weil der so origi­nell und ge­lun­gen ist und weil ich über­haupt seit »Das Wetter vor 15 Jahren« ein großer Haas-Fan bin – aber in Zeiten wie diesen muss es ein Sach­buch sein; ein his­to­risches, weil Geschichts­ver­ges­sen­heit eine der Ursachen ist für die der­zeitige Krise unserer liberalen Demokratie.

Jens Biskys »Die Entscheidung« be­schreibt die Jahre 1929 bis 1934 in Deutsch­land, und zwar so an­schau­lich, er­hel­lend und bril­lant, wie ich es selten ge­lesen habe. Wer wissen möchte, wie die Weimarer Re­pu­blik zu­grun­de ge­gan­gen ist und warum ihr aus­ge­rech­net die Nazi-Diktatur folgte, findet hier Antworten.

Parallelen zur aktuellen poli­tischen Si­tua­tion drän­gen sich auf. Das heißt eben nicht, dass heute alles genauso läuft wie damals, eine solch plumpe Gleich­setzung ist ebenso banal wie gefähr­lich, denn sie unter­stellt, dass dann ja sowieso alles zu spät ist. Und das ist es eben nicht.

Das Schick­sal der Weimarer Republik sollte eben nicht fata­lis­tisch resig­nie­rend stim­men, sondern ganz im Gegen­teil wach­rütteln, denn es zeigt, wie fragil eine Demo­kra­tie ist. Jede Demo­kra­tie. Auch unsere.

Und so schildert Jens Bisky Hitlers Auf­stieg zur Macht denn auch als durch­aus auf­halt­sam, um ein Brecht-Wort zu ver­wen­den, und den Nieder­gang der Republik als keines­wegs un­aus­weich­lich. Bisky ist ein kluger His­to­riker und be­gab­ter Er­zähler, und so fächert er ein breites Pa­no­ra­ma jener vier er­eig­nis­reichen Jahre vor uns auf, lässt Zeit­zeugen zu Wort kommen, Politiker, Jour­na­lis­ten, Schrift­steller, Künst­ler, und malt so ein farbiges Bild der Epoche. Auf die Ver­hält­nisse, die Be­din­gun­gen, die Mecha­nis­men, die zum Unter­gang der ersten deutschen Republik geführt haben und die mit denen der Bundes­re­publik eben nicht zu ver­gleichen sind, wirft er einen frischen, manchmal durchaus über­raschen­den und immer er­hel­len­den Blick. »Die Ent­scheidung« ist ein Sach­buch, das sich liest wie ein guter Roman. Wie ein spannender Roman. Und es lässt einen nach­denk­lich zurück.

Die Beschäf­ti­gung mit Geschichte liefert uns keine simplen Er­klä­run­gen oder Lösungen für unsere aktuellen Probleme, sie hilft uns aber, bessere Fragen an die Gegen­wart zu stellen. Allein schon des­wegen sollte man Biskys Buch jedem Mit­glied des Deutschen Bundes­tages (ja: jedem!) als Will­kommens­ge­schenk auf den Ab­ge­ord­ne­ten­tisch und darüber hinaus mög­lichst vielen Menschen ans Herz legen. Man kann, nein: Man sollte aus der Geschichte lernen. Selten war diese Er­kennt­nis so wichtig wie in diesen Zeiten.

Bisky schließt seine klugen Analysen nach fast 600 Seiten mit einem Satz, der das alles auf den Punkt bringt: »Wer heute auf das Ende Weimars zurück­blickt, weiß: Es ist poli­tisch leicht­fertig, nicht mit dem Schlimmsten zu rechnen.«

»Willkommen in der Welt von Gereon Rath. Sein Beruf: Kriminal­kommissar. Sein Arbeits­platz: Das Polizei­prä­si­dium am Berliner Alexander­platz. Sein Dienst­antritt März 1929.« So heißt es auf der Web­site, die der Kölner Schrift­steller Volker Kutscher seiner lite­ra­rischen Erfolgs­figur widmet. Kutscher hat das Genre des histo­rischen Kriminal­romans völlig neu definiert und erfolg­reich ge­macht. Der erste Band der Reihe, »Der nasse Fisch«, wurde unter dem Titel »Babylon Berlin« unter der Regie von Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Hand­loegten ver­filmt. Weitere Staffeln folgten. An den Erfolg von »Babylon« schloss sich eine Hör­spiel­fassung an sowie die Graphic Novel von Arne Jyrsch, »Der nasse Fisch«. Mit dem zehnten Band, der den Titel »Rath« trägt und die Reihe ab­schließen soll, ist der Autor derzeit auf Lesereise unterwegs. 

 

Die Entscheidung. Deutschland 1929 bis 1934

Jens Bisky (2024)

 

 

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