
Der Schauspieler Jannis Niewöhner über den Roman »Die schönste Version« von Ruth Maria Thomas:
»Ruth Maria Thomas fängt all das ein, was zur Jugend und zum Erwachsenwerden dazugehören kann.«
Wirklich beeindruckt hat mich das Buch »Die schönste Version« von Ruth Maria Thomas. Jella wird von ihrem Freund Yannik geschlagen und geht in den Tagen danach auf eine Reise in die Vergangenheit mit dem Versuch zu verstehen, wie es so weit kommen konnte.
Es geht um häusliche Gewalt, um Liebe, Freundschaft und ums Erwachsenwerden als junge Frau im Ostdeutschland der Nullerjahre.
Ohne erhobenen Zeigefinger schafft es Ruth Maria Thomas, einen durch ihre genaue und gefühlvolle Beobachtung an die Komplexität des Themas heranzuführen.
Dass ich mich als männlicher Leser so mitgenommen, angesprochen und nicht ausgeschlossen gefühlt habe, ist, finde ich, eine große Stärke von diesem Buch. Ich glaube, der weiblichen Perspektive von dem, was Missbrauch bedeuten kann, und den Gefühlen, die dazugehören, zumindest ein kleines Stück nähergekommen zu sein.
Besonders ist auch, wie gut Ruth Maria Thomas all das einfängt, was zur Jugend und zum Erwachsenwerden dazugehören kann. Sich zu verstellen, genügen zu wollen, auf der Suche nach der eigenen Identität zu sein – während man sich den ständig wechselnden äußeren Umständen anpasst. Aber auch: die eigene Sexualität entdecken, die Verzweiflung, die dazugehört, der Druck und die Ängste, die damit verbunden sind, und wohin sie einen führen können, die vermeintliche Lust am Selbstzerstörerischen, der Nervenkitzel, der darin liegt, und wie man durch dieses ganze Chaos manchmal den Zugang zur eigenen Stimme und der eigenen Wahrheit zu verlieren droht.
Jannis Niewöhner ist Schauspieler und zählt zu den bekanntesten Gesichtern seiner Generation im deutschen Film. Bereits als Kind stand er vor der Kamera, bekannt wurde er unter anderem durch seine Rolle in der »Rubinrot«-Trilogie und in Filmen wie »Je suis Karl« oder der internationalen Serie »München – Im Angesicht des Krieges«. In der Bestseller-Verfilmung »22 Bahnen«, die ab heute im Kino läuft, spielt er Viktor, der wie die Hauptfigur Tilda immer 22 Bahnen schwimmt.