Der Musiker Reinhard Mey über »Lauter Leben« von Helga Schubert:
»Liebevolle Beobachtungen, treffende Bilder, der kluge Blick auf die Welt, der wunderbare Fluss der richtigen, einfachen Worte, keins zu viel, keins zu wenig und jedes davon erfüllt von Wärme.«
Meine Frau, kluge Lektüre-Ratgeberin, hat mit »Vom Aufstehen« vor einiger Zeit meine Begeisterung für die Schriftstellerin Helga Schubert geweckt. Diese Begeisterung hat sie kurz darauf mit einer antiquarisch erstandenen Sammlung ihrer Erzählungen mit dem Titel »Anna kann Deutsch. Geschichten von Frauen«, weiter angefacht. Ich habe diese Geschichten geliebt.
Neulich brachte sie mir »Lauter Leben« vom Stöbern im Buchladen mit, und beim Aufschlagen, beim ersten Blick, entdeckte ich »Anna kann Deutsch«, große Überraschung, Wiedersehensfreude, denn ich bin mit der Gabe beschenkt, gern und oft Gelesenes gern noch einmal zu lesen und mit der alten Begeisterung neu zu entdecken. Ja, da waren sie wieder, die liebevollen Beobachtungen, die treffenden Bilder, der kluge Blick auf die Welt, der wunderbare Fluss der richtigen, einfachen Worte, keins zu viel, keins zu wenig und jedes davon erfüllt von Wärme, von Empathie für alle Kreaturen, von Liebe für alle Menschengeschwister. Ja, da war er wieder, einer ihrer Sätze, deren Wahrheit und Klarheit mich mit der Erkenntnis zurücklassen, ja, so, wie sie das schreibt, ist es – so und nicht anders, besser kann das kein Mensch sagen.
Mit dem Seufzer »Ach, ich wünschte, diesen Satz hätte ich geschrieben« stelle ich »Lauter Leben« in das Bücherbord meines Lebens zu Elizabeth Strout mit ihrer kiebigen Heldin Olive Kitteridge, zu Dörte Hansen, zu Marlen Haushofer, zu Ulla Hahns Tetralogie um »Das verborgene Wort«, zu meiner Freundin Elke Heidenreich, die mich zum »Altern« an die Hand nimmt.
Lauter Frauen, kein Wunder: Oma Käthe, Tante Ilse und meine Mutter haben mich und mein Frauenbild geprägt, und heute tun das meine Frau und unsere Tochter. Gar keine Kerle im Regal? Doch, lange, teure Begleiter. Stefan Zweigs »Schachnovelle«, Khaled Hosseini mit »Der Drachenläufer« und Richard Bachs »Glück des Fliegens« in Gedanken an meinen Vater und unsere Söhne. Meine Bücher passen in den Koffer für die einsame Insel, aber den brauch ich gar nicht, ich habe sie alle im Bücherschrank meines Herzens.
»Was ich mache, soll perfekt sein«, so beschrieb der Chansonsänger, Texter und Komponist Reinhard Mey, Jahrgang 1942, in einem berührenden Gespräch mit der ZEIT seinen Anspruch. Mit 16 erhielt er seine erste Gitarre, 1967 veröffentlichte er seine erste Platte. Zahllose weitere brachten ihm große Preise ein, und etliche seiner Titel sind in den Sprachgebrauch eingegangen (»Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein«, »Gute Nacht, Freunde«). Wikipedia zählt, dass er bisher in 1.300 Konzerten aufgetreten ist, mit großem Erfolg auch in Frankreich und in den Niederlanden. Zusammen mit Bernd Schroeder hat er sein Leben geschildert in »Was ich noch zu sagen hätte«. Im Buch »Alle Lieder – Toutes les chansons« sind all seine Songtexte von 1965 bis 2016 erschienen. Eine erweiterte Neuauflage ist für Ende 2026 geplant.