
Der Autor und Journalist Rüdiger Barth über den Roman »Der Gang vor die Hunde« von Erich Kästner:
»Man wünschte, er endete niemals.«
Das Buch in einem Satz
Rein in die fieberkranke Weimarer Republik, kurz vor Hitler.
Wie sind Sie auf das Buch gekommen?
Bei den Recherchen zu »Deutschland 1946« habe ich alles gelesen von Kästner, was mir in die Hände fiel. Er hat nach dem Krieg das großartige Feuilleton der »Neuen Zeitung« in München aufgebaut, jungen Stimmen eine Chance gegeben, alte Stimmen vor dem Verstummen gerettet. Was für einen Geist, was für ein Herz dieser Mann hatte, der so viel mehr war als »nur« ein warmherziger Kinderbuch-Autor. Seinen sinnesprallen »Gang vor die Hunde«, damals in der zahmeren Version als »Fabian« veröffentlicht, haben die Nazis 1933 verbrannt.
Was bleibt nach dem Lesen?
Wie bei jedem Roman, bei dem man wünschte, er endete niemals: ein Nachhall, der noch lange klingt, ein heimliches Hoffen, dass sich das eigene Leben ein kleines Stückchen verändert.
Wo lesen Sie am liebsten und warum?
Auf unserem alten Segelboot in der Dänischen Südsee. Oder bei uns im Garten, auf der hölzernen Bank unter der Buche, wenn der Wind durch die Blätter rauscht. Lesen heißt ja sich wegträumen, und man muss zwischendurch ein Nickerchen machen, damit der Traum wahr wird.
Und was lesen Sie sonst so?
Auf das neue Buch von Tim Winton freue ich mich, »Juice«. Ein begnadeter Erzähler, sehr westaustralisch, kein Tüll, viel rote Erde, Salz und Gischt. Wintons »Cloudstreet« war bei uns merkwürdigerweise nie ein Erfolg, soweit ich weiß. Seine Figuren lassen einen nicht mehr los.
Rüdiger Barth ist Journalist, Autor und Gründer. Viele Jahre arbeitete er als Reporter und in leitender Funktion beim »stern«. Heute ist er Geschäftsführer der Open Minds Media, die zum Beispiel den Podcast »Gysi gegen Guttenberg« produziert. Rüdiger Barth hat mehrere Sachbücher veröffentlicht, darunter Bestseller wie »Die Totengräber« gemeinsam mit dem ZEIT-Redakteur und Verteidigungsexperten Hauke Friederichs. Das neue Buch der beiden, »Deutschland 1946«, erscheint diese Woche. Es folgt Persönlichkeiten wie Erich Kästner, Loriot und Beate Uhse auf den ersten Schritten in Richtung Bundesrepublik. Die suchende Frage in diesem Mosaik der Nachkriegszeit: Wie wurden wir die, die wir sind?