
Die Schauspielerin Stefanie Reinsperger über den Roman »Ende in Sicht« von Ronja von Rönne:
»Tieftraurige, kluge und vor allem sehr elegante Frauenfiguren, deren Wunsch und Sehnsucht nach Selbstbestimmung sie auf eine unerwartete Reise führt.«
Dieser Roman hat mich sofort in den Bann gezogen. Ich bin Hella und Juli, den beiden Hauptcharakteren, augenblicklich verfallen. Ronja von Rönne schreibt in einer Ehrlichkeit, Drastik und gleichzeitig immer mit viel Humor, der einem gleichzeitig in die Magengrube schlägt und zutiefst berührt. Die Geschichte dieser beiden so unterschiedlichen Frauen, die aus dem Leben verschwinden wollen, verwebt die Autorin auf so eine charmante, kluge Art und Weise, dass sie mich nicht losgelassen hat.
Das Ende hat mich derart getroffen, mitgenommen, bewegt, dass ich es tatsächlich sofort zweimal hintereinander lesen musste. Ich war selten so traurig, dass ich bei einem Buch die letzte Seite erreicht habe, wie bei diesem. Ich würde Hella und Juli gerne sofort kennenlernen und mit ihnen in einem alten Passat überallhin fahren.
Können Sie sich mit einer Figur aus dem Buch identifizieren? Oder haben Sie aus diesem Buch etwas Neues über sich gelernt?
Das Tolle ist, dass ich mit beiden Figuren, also Hella, die 69 Jahre alt ist, und Juli, die 15 ist, mitgehen kann. Die beiden vereint und unterscheidet so viel. Dennoch sind die Wünsche und Sehnsüchte ähnliche, oder besser: welche, die mir nicht unbekannt sind. Tieftraurige, kluge und vor allem sehr elegante Frauenfiguren, deren Wunsch und Sehnsucht nach Selbstbestimmung sie auf eine unerwartete Reise führt.
Die Freundschaft, die sich zwischen ihnen entwickelt, und der individuelle Mut, den es braucht, um durch dieses Leben zu gehen, um in dieser Welt zu bleiben oder eben auch nicht, das sind Themen, mit denen mich viel verbindet.
Und was lesen Sie sonst so?
Alles, was die österreichische Autorin Mareike Fallwickl schreibt und sagt! Außerdem Drehbücher für zwei Filme, die ich im Sommer drehen werde und auf die ich mich aktuell vorbereite.
Dann lese ich aktuell gerade »Trauriger Tiger« der französischen Schriftstellerin Neige Sinno, ein Buch, das mich sehr aufwühlt. Danach möchte ich unbedingt »Die Vegetarierin« der Literaturnobelpreisträgerin Hang Kang lesen.
Generell lese ich gerne Romane – ich mag es, in eine Welt abzutauchen und in einem Buch, ein Zuhause zu finden, einen Fantasieort, den ich mir selbst gestalten kann und in dem ich eine Auszeit vom Drumherum finde.
Haben Sie einen Lieblingsort für Ihre Lektüre?
Jetzt, da das Wetter so schön ist, lese ich sehr gerne im Freien, suche mir einen ruhigen Platz und kann dann ganz in meinem Buch und den Charakteren versinken. Viel und gerne lese ich auch, wenn ich im Zug sitze. Aber am liebsten nehme ich mir wirklich ganz aktiv meine Lesezeit und schalte das Handy aus, setze mich aufs Sofa und bin für ein, zwei Stunden einfach weg.
Stefanie Reinsperger, Jahrgang 1988, ist dem Fernsehpublikum längst bekannt als Rosa Herzog im Dortmunder »Tatort«. In großen Rollen war die Schauspielerin unter anderem zu sehen am Düsseldorfer Schauspielhaus (Eve im »Zerbrochenen Krug«), im Berliner Ensemble (»Der Theatermacher«) und soeben im Wiener Burgtheater bei der Uraufführung des Monologs »Elisabeth!« 2022 erschien ihr Buch »Ganz schön wütend«, in dem sie von negativen Seiten des Erfolgs berichtet, speziell auch von Bodyshaming und von Hassmails, die sie erreichten, nachdem sie bei den Salzburger Festspielen als Buhlschaft auftrat.