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Media-Consultant Christian Eils über den Roman »Besetzte Gebiete« des Autors Arnon Grünberg

»Hochaktuelle Sujets wie MeToo, die destruktive Wirkung partizipativer Medien, die Scheinheiligkeit des Literaturbetriebs und auch die eigene Holocaust-Geschichte Grünbergs werden hier so unaufdringlich und versiert verhandelt, wie ich es selten gelesen habe.«

 

Je länger meine Lesebiografie dauert, desto häufiger begegnen mir Autorinnen und Autoren, denen man so viel mehr Beachtung außerhalb des Hochfeuilletons und des Literaturbetriebs wünscht. Der 1971 in Amsterdam geborene Wahl-New-Yorker Arnon Grünberg ist einer dieser unterschätzten Literaten. Er hat mit »Besetzte Gebiete« seinen nunmehr 15. Roman vorgelegt, unzählige Theaterstücke, Essays und Erzählungen geschrieben, wurde mit Preisen überhäuft und in 26 Sprachen übersetzt. Er war als »embedded journalist« zweimal im Irak, und seine langjährige Kolumne »Voetnoot« findet auf der Titelseite der niederländischen Tageszeitung »de Volkskrant« viel Beachtung. Grünberg ist ein vielseitiger Publizist und einer für den ungewöhnlichen Weg. Ungewöhnliche Wege geht auch Otto Kadoke, Protagonist seines neuesten Romans. Eine vollkommen aus dem Ruder gelaufene Liebes­geschichte im Rahmen einer »alternativen Therapie« und eine mediale Schlamm­schlacht lassen den Amsterdamer Psychiater plötzlich vor dem Nichts stehen. Es geht schnell; Missbrauchsvorwürfe gegen ihn in einer Buch­veröffentlichung, im TV und in den sozialen Medien zerfetzt, Approbation entzogen, Leben zerstört. Kadoke reitet sich immer weiter in sein Unglück, und man möchte ihn aus dem Buch zerren, um ihn vor der nächsten Dummheit zu bewahren. Aber der Mann hat eine Mission. Kadoke, überzeugter Antizionist und Atheist, folgt seiner Ururgroßcousine Anat ins Westjordanland. Sie ist sein radikales Gegenstück und eine erbitterte Kämpferin für jüdische Interessen. Hochaktuelle Sujets wie MeToo, die destruktive Wirkung partizipativer Medien, die Scheinheiligkeit des Literaturbetriebs und auch die eigene Holocaust-Geschichte Grünbergs werden hier so unaufdringlich und versiert verhandelt, wie ich es selten gelesen habe. Auch die Frage danach, ob sich das Verschweigen tiefster Überzeugungen zugunsten der Liebe moralisch rechtfertigen lässt, fand ich faszinierend. 2014, während der Arbeit an einem neuen Roman, ließ sich Grünberg von Neurologen untersuchen, die wissen wollten, ob Kreativität messbar ist. Es ist nur eine Vermutung, aber die Ausschläge der Instrumente müssen gewaltig gewesen sein!

Christian Eils ist seit 1998 in der Vermarktung von Zeitungen und Zeitschriften tätig, seit 2018 bei der ZEIT. Wenn er nicht gerade Werbestrategien entwickelt, liest er mit Leidenschaft Romane und schreibt über sie. Gemeinsam mit der Kollegin Sarah Reinbacher veröffentlicht er auf dem Instagram-Kanal @dieseitenschneider regelmäßig Literaturempfehlungen. Darunter echte Geheimtipps und besonders originell besprochene Bestseller.

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