Moderatorin Clarissa Corrêa da Silva über das Bilderbuch »Das Mädchen auf dem Motorrad« von Amy Novesky:
»Mir gefällt dieser Blick der Protagonistin auf vermeintliche Schwächen, weil er zeigt, dass es nicht darauf ankommt, keine Fehler zu machen, sondern wie man damit umgeht.«
Mein Lieblingskinderbuch beruht auf einer wahren Geschichte. Es geht um die erste Frau, die auf einem Motorrad alleine die Welt umrundete – Anne-France Dautheville. Auf ihrer Reise entdeckt Anne-France schöne Orte und lernt viel über sich selbst. Denn natürlich kommt sie – so haben es große Reisen ja an sich – auch in Struggle. Mal ist es ein platter Reifen, dann ein Sturz, durch den sie immer wieder lernt, aufzustehen und weiterzufahren. Die mutige Anne-France, die sich 1973 auf ihrer Kawasaki von Paris aus aufmacht, weil sie frei sein will und die Welt sehen möchte, kann eine Inspiration für alle Mädchen sein, die mit sich hadern und gefangen sind in ihren Ängsten. Empfohlen ist das Buch für Kinder im Alter zwischen 5 und 9 Jahren, aber ich würde sagen, dass es auch noch mit 12, 13 Jahren lesenswert ist. Dann nämlich, wenn man langsam anfängt, sich selbst zu finden und sich vielleicht auch ein Stück weit von dem behüteten Elternhaus abzunabeln. Das geht natürlich auch nicht ohne Hinfallen. Und auch da heißt es: aufstehen, neu machen, anders machen, besser machen. Mir gefällt dieser Blick der Protagonistin auf vermeintliche Schwächen, weil er zeigt, dass es nicht darauf ankommt, keine Fehler zu machen, sondern wie man damit umgeht. Das Buch hat mich selbst zum Nachdenken angeregt. Ich versuche, besser anzunehmen, dass es auch Okay ist, verletzlich zu sein und Fehler zu machen. Dann ist man automatisch mutiger, weil man weniger Angst vor dem Scheitern hat. Apropos mutig: Ich finde es toll, dass die Heldin ein mutiges Mädchen ist. Ich selbst bin von einer starken Frau großgezogen worden und habe früh angefangen, weibliche Vorbilder in der Kinderliteratur zu suchen. Besonders gut gefallen mir deshalb auch die »Good Night Stories for Rebel Girls« – ich liebe sie. Ich glaube, dass es für starke Frauengeschichten auch gerade ein Momentum in der Kinderliteratur und den Kindermedien gibt. Bei meinem TV-Geschichtsformat »Triff…« habe ich deshalb besonders nach tollen weiblichen Prominenten gesucht und erschreckenderweise festgestellt, dass die Erzählungen unserer Geschichte sehr männlich besetzt sind. Ich habe mich dennoch bewusst darauf konzentriert, inspirierende Frauengeschichten zu finden – wie zum Beispiel die von Marie Curie. Das ist natürlich auch eine große Chance für die nachkommenden Generationen, wenn man in so einem jungen Alter anfängt – wie zum Beispiel durch »Das Mädchen auf dem Motorrad« –, mutige Frauen als ganz selbstverständlich zu sehen. Also nicht mit dem Zeigefinger: »Oh, seht mal, hier kommt jetzt eine starke Frauengeschichte!«, sondern einfach ganz natürlich – fast beiläufig.
Ich mag das Buch auch, weil es ein Gefühl von Freiheit vermittelt und ein Stück von der weiten Welt eröffnet. Das ist das Spezialgebiet des Zuckersüß-Verlags, der die Geschichte übersetzt und in Deutschland herausgebracht hat. Der kleine Berliner Verlag hat es sich zur Aufgabe gemacht, besondere Geschichten aus aller Welt nach Deutschland zu holen.
Clarissa Corrêa da Silva – genannt Clari – dürfte den Kindern aus dem Fernsehen bekannt sein. Dort ist sie in »Wissen macht Ah!« und der »Sendung mit der Maus« zu sehen. Sehr beliebt ist auch ihr Geschichtsformat »Triff…« . Dort interviewt sie Menschen, die vor vielen Jahren etwas Besonderes gemacht haben und dadurch heute noch immer bekannt sind. Clarissa liebt Kinderbücher. Zur Expertin wurde sie unter anderem durch ihre Nichten. Für die beiden Mädchen ist Clarissa auch immer auf der Suche nach Geschichten über starke Heldinnen.