ZEIT-ONLINE-Redakteur David Gutensohn über das Sachbuch »Sie nannten es Arbeit: Eine andere Geschichte der Menschheit« von dem Anthropologen James Suzman:
»Der Autor beschreibt brillant, weshalb wir der Arbeit heute einen so großen Teil unseres Lebens überlassen und warum wir immer mehr arbeiten, obwohl gleichzeitig so viel produziert wird wie nie zuvor.«
Es gibt Bücher, die lesen sich schon heute wie ein Klassiker von morgen. Der Sozialanthropologe James Suzman hat ein solches Werk geschaffen, das die Leserinnen und Leser von der Steinzeit bis in die Gegenwart mitnimmt und die Geschichte unserer Arbeitswelt völlig neu definiert. Oder haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass die Menschheit früher nur so viel arbeitete, wie zum Überleben nötig war, und heute den dritten Burnout ignoriert, um noch mehr zu leisten als ohnehin schon? Ich bin Redakteur für die Themen Arbeit und Soziales und habe schon deshalb ein Interesse an dem Thema des Werks – und finde trotzdem, dass auch alle anderen das leicht verständliche und zugleich packende Sachbuch lesen sollten. Der Autor beschreibt brillant, weshalb wir der Arbeit heute einen so großen Teil unseres Lebens überlassen und warum wir immer mehr arbeiten, obwohl gleichzeitig so viel produziert wird wie nie zuvor.
Der Sozialanthropologe Suzman erklärt umfassend, wie die Arbeit von uns Besitz ergreifen und unser Leben dominieren konnte. Ganz im Stil der ebenso lesenswerten Bücher von Yuval Noah Harari wagt Suzman den Versuch einer neuen Menschheitsgeschichte und scheitert daran nicht. Im Gegenteil: Er liefert neue Perspektiven, indem er zeigt, dass die früheren Jäger und Sammler eine vorbildliche Work-Life-Balance hatten und es in unserer Geschichte zu einer Entkopplung zwischen Arbeitszeit und unseren materiellen Bedürfnissen gekommen ist. Gleichzeitig liest sich das Buch wie ein Plädoyer für eine Abkehr von der Profitorientierung. Als Journalist, der gerade ein Buch zum Gewinnstreben im Gesundheitswesen veröffentlicht hat, interessierte mich dieser Teil des Buchs besonders. Suzman zeigt, weshalb wir nach der Pandemie ein anderes Wirtschaftssystem und damit eine neue Arbeitswelt brauchen. Ein Buch für Sachbuchliebhaber wie mich, eher nicht für einen Tag am See geeignet, aber für die Zugfahrt dahin!
David Gutensohn ist Redakteur bei ZEIT ONLINE. Seine Schwerpunkte sind Arbeit und Soziales sowie Gesundheitspolitik. Kürzlich erschien im Atrium Verlag sein Buch »Pflege in der Krise – Applaus ist nicht genug«. Mit konkreten Vorschlägen ruft David darin zum Wandel im Gesundheits- und im Pflegesystem auf und zeichnet die Vision eines funktionierenden Gesundheitssektors. Deutlich wird dabei: Der Pflegenotstand betrifft uns alle, und der Zeitpunkt zum Handeln ist jetzt! Über das Buch sagt Investigativjournalist und Schriftsteller Günter Wallraff: »Aktuell eines der wichtigsten Bücher zur Pflege und zum Gesundheitssystem.«