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Der Journalist und Autor Stephan Schäfer über den Essay »Das Jahr magischen Denkens« von Joan Didion, übersetzt von Antje Rávik Strubel:

 

 

»Diese Ge­schich­te er­greift und be­rührt mich zu­tiefst und zeigt, was große Literatur zu leisten ver­mag.«

 

Ich lese gerade von Joan Didion »Das Jahr magischen Denkens«. Es ist die drin­gen­de Emp­feh­lung einer guten Freundin, die mir immer wieder Bücher nahe­bringt, auf die ich selbst nie ge­stoßen wäre.

In dem Werk schreibt die große amerika­nische Schrift­stellerin und Essay­istin Joan Didion über ihre Trauer nach dem Tod ihres Mannes, des Schrift­stellers John Gregory Dunnes, und ihren Versuch, das Un­fass­bare be­greif­lich zu machen. Zitat: »Das Leben ändert sich schnell. Das Leben ändert sich in einem Augen­blick. Man setzt sich zum Abend­essen, und das Leben, das man kennt, hört auf. Die Frage des Selbst­mit­leids.« Es ist das Proto­koll über die Liebe und den Tod und Didions Be­mühung, mit »magischen Tricks« ihren Mann ins Leben zurück­zu­holen. Ich gebe zu, es klingt nicht wie ein heiteres Buch für un­be­schwer­te Sommer­ferien. Aber ich bin froh, dass ich es am Strand – und nicht an einem dunklen November­tag lese. Es ist nicht so, dass es mich un­be­dingt zum Thema »Tod« ziehen würde, aber diese Ge­schich­te er­greift und be­rührt mich zu­tiefst und zeigt, was große Literatur zu leisten ver­mag. Und dass das mensch­liche Ende jeg­liche Vor­stellungs­kraft über­steigt. Nicht um­sonst wurde Didion für das Buch in den USA mit dem National Book Award aus­ge­zeich­net. Und wer über die fas­zi­nie­ren­de Schrift­steller­in noch mehr er­fahren möchte, dem lege ich die Netflix-Do­ku­men­ta­tion »Joan Didion. Die Mitte wird nicht halten« ans Herz.

 

Können Sie sich mit einer Figur aus dem Buch iden­ti­fi­zieren?
Zum Glück bin ich von Trauer und Ver­lust nicht be­trof­fen. Viel­leicht kann ich des­halb dieses Buch mit etwas Ab­stand lesen. Und mehr als dank­bar dafür sein, abends meiner Frau davon er­zäh­len zu dür­fen.

 

Haben Sie aus diesem Buch etwas Neues über sich gelernt?
Das Buch beweist mir mal wieder, dass das Leben nicht die Probe, sondern die Vor­stel­lung ist. Und dass ich gerade nicht anders leben möchte.

 

Und was lesen Sie sonst so?
Ein guter Espresso, Zeitungen aus der ganzen Welt, Romane, Sach­bücher – meine Ideal­vor­stel­lung vom Leben wäre es, in einem Café zu sitzen, zu lesen und in ein paar Jahren wieder ab­ge­holt zu werden. Am liebsten in Wien, Paris oder Neapel. Und zum Mittag- oder Abend­essen kämen Freunde dazu, mit denen man dann alles be­sprechen könnte.

 

»Ein Mann für schwere Fälle« wurde Stephan Schäfer einmal genannt. Das war zum Höhe­punkt seiner kometen­haf­ten Karriere als Jour­na­list und Chef­re­dak­teur, als er zeit­weise fünf Magazine leitete, darunter »Brigitte« und »Schöner Wohnen«. Dann wurde er Vor­sit­zen­der der Geschäfts­füh­rung von Gruner + Jahr und führte schließ­lich als Co-CEO bis 2022 RTL Deutsch­land. Als alle an­nahmen, er werde rasch eine neue Führungs­auf­gabe in den Medien be­set­zen, zog er sich zu­rück, um ein Buch zu schreiben. »25 letzte Sommer«, ver­öffent­licht 2024, wurde sofort ein Best­seller. Sein neuer Titel »Das Buch, das bleibt« wird im Oktober erscheinen.

 

Das Jahr magischen Denkens

Joan Didion (2021)

Aus dem Amerikanischen von Antje Rávik Strubel

 

 

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