Der Journalist und Moderator Rudi Cerne über den Thriller »Christine« von Stephen King:
»Man will unbedingt wissen, was auf den nächsten Seiten passiert.«
Ich empfehle »Christine« von Stephen King. Das ist kein Science-Fiction-Stoff, sondern ein Roman, spielt in den Achtzigerjahren, und »Christine« ist nicht der Name einer Frau, sondern der eines Autos. Genauer: eines Plymouth Fury, Baujahr 1958, zweifarbig lackiert. Diesen Wagen, ein Schrottauto, entdeckt der 18-jährige Arnie Cunningham auf einer Wiese, und er fängt an, das Wrack sorgsam zu restaurieren. Seine Eltern lehnen dieses Projekt rundheraus ab, aber Arnie, der eine Art Sonderling ist, hat einen Freund, Dennis Guilder, der im Gegensatz zu Arnie sportlich und bei Mitschülern enorm beliebt ist. Erzählt wird die Geschichte von Arnie und Christine aus der Perspektive dieses Freundes.
Auf seltsame Weise verändert Arnie nach und nach sein Wesen, und zwar nimmt er den Charakter von Christines Vorbesitzer an. Diesen Ronald LeBay hat Arnie nicht mehr kennengelernt, denn er ist verstorben, kurz nachdem er Christine verkauft hat. Aber wir erfahren, dass der Mann, US-Army-Veteran, ein reaktionärer Hardliner war, rassistisch und arrogant. Diese Eigenschaften scheint auch Christine irgendwie verinnerlicht zu haben: Der Wagen bringt Menschen um, die Arnie gefährlich werden. Die geraten einfach unter seine Räder. Wenn es dabei Schaden nimmt, beult sich das Auto von selbst wieder aus.
Was erst mal schräg klingt, wird nach und nach immer unheimlicher. Auch eine hübsche Frau spielt eine Rolle, Arnies Freundin, und die ist gefährdet, denn Christine ist teuflisch eifersüchtig …
Mehr will ich gar nicht erzählen.
Ich bin zwar kein Stephen-King-Kenner, aber es ist faszinierend, wie der Autor alberne Fakten (beispielsweise, dass der Plymouth allein fährt, was man eventuell als visionär lesen könnte) so realistisch schildert, dass es den Leser völlig packt. Man will unbedingt wissen, was auf den nächsten Seiten passiert. »Christine« ist irre spannend, ich habe es innerhalb von drei Tagen durchgelesen.
Hinzu kommt, dass dieser Thriller die eigene Vorstellungskraft anregt. Ich musste natürlich nachschauen, wie so ein Plymouth Fury, Baujahr 1958, zweifarbig, genau aussieht. Da erinnerte ich mich daran, dass ich zwischen 1985 und 1989 in den Sommermonaten als Trainer in den USA gearbeitet habe. Mein Chef war der legendäre Eiskunstlauf-Coach Carlo Fassi, der unter anderen auch den Olympiasieger Robin Cousins trainierte. Damals habe ich ein Auto gemietet, bei dem Billig-Anbieter »Rent a Wreck«. Vielleicht war es sogar ein Plymouth, typisch mit kurviger Karosserie, in Grün. Ich hatte einen Riesenspaß mit dem Ding, alle Schüler wollten mitfahren.
Was ich sonst so lese: Empfehlen kann ich außerdem noch »Coma« von Robin Cook, ein Buch, das von illegalen Organentnahmen handelt, um Forschung voranzutreiben. Auch sehr spooky.
Mein Lieblingsort beim Lesen ist die Liege im Urlaub, wo mich nichts und niemand stört …
Rudi Cerne, Jahrgang 1958, ist Sportjournalist und seit vielen Jahren Moderator von »Aktenzeichen XY«, der Mutter sämtlicher True-Crime-Podcasts und Dokumentationen. Seit 2014 ist er Botschafter der »Aktion Mensch«. In jungen Jahren war Cerne erfolgreicher Eiskunstläufer, er gewann 1984 die Silbermedaille bei der Europameisterschaft.