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Der ScDer Schauspieler Hanno Koffler über den Roman »Über Menschen« von Juli Zeh:

»Es ist ein Buch, das einem so viel Anstoß gibt zum Diskutieren und Nachdenken und zum Hinterfragen.«

 

Wie sind Sie auf das Buch gekommen?
Meine Frau, die Regisseurin Mia Maariel Meyer, hat es mir ans Herz gelegt. Sie hat alle Bücher von Zeh ge­lesen, und dieses ist ihr absoluter Favorit. Ich teile ihre Begeisterung.

 

Was macht das Buch für Sie gerade jetzt aktuell?
Es geht in dem Buch um so viele Themen, die meiner Meinung nach eine ungeheure Relevanz haben. Im Kern geht es für mich um Menschlichkeit. Egal wer wir sind, was wir denken, was wir tun und woher wir kommen, so sind wir alle Menschen aus Fleisch und Blut. Wir alle sind erst durch unsere ganz individuellen Umstände oder schicksalhaften Fügungen, unser soziales Umfeld zu dem geworden, der wir sind. Es ist so elementar wichtig, dass wir hinter unsere Vorurteile gucken und aus dem Schubladendenken herauskommen und dass wir nicht ständig mit dem Urteilshammer durch das Leben gehen und ihn auf alles herabsausen lassen, was uns nicht passt oder was uns fremd und unangenehm erscheint. Die Welt ist so komplex, und wir Menschen sind es auch. Ich würde mir so wünschen, dass wir alle viel mehr mit den Menschen hinter den Fassaden kommunizieren, mit dem Herzen, aus dem ge­mein­samen Kern des Menschseins sozusagen.
Ich habe das Gefühl, dass sich seit der Corona-Krise eine Art Schleier über unser Miteinander gelegt hat. So eine Art gesellschaftliches Trauma. Diese Erfahrung, die wir während der Corona-Krise als Kollektiv gemacht haben, dass wir uns in unserem Kern, auch als demokratische Gesellschaft, bedroht gefühlt haben, hat so vieles infrage gestellt und ins Wanken gebracht. Die Pandemie hat sehr schmerzhafte Gräben gerissen zwischen den Menschen, weil so unterschiedlich mit dieser Krise umgegangen wurde. Menschen, denen wir uns nahe gefühlt haben, sind von einem Tag auf den anderen durch ihren individuellen Umgang mit der Krise ganz weit von uns weggerückt, obwohl es doch dieselben Menschen waren, die wir eben noch als unsere Freunde betrachtet haben. Und dann im An­schluss an Corona die grauenvollen Kriege und Krisenherde dieser Welt. Vielleicht bilde ich es mir ein, aber ich spüre so viel Angst, so viele Vorurteile, Skepsis und Unbehagen bei den Menschen im Umgang mit­einander und im Glauben an die Zukunft und natürlich auch im Vertrauen in die Politik.
Die Rechtspopulisten haben viele Menschen, die in diesen Ängsten verhaftet sind und sich in ihrer Not nicht gesehen fühlen, in ihre men­schen­ver­achtenden Parteien hinein manipuliert. Ich verurteile die AfD und ihre Agenda zutiefst, die AfD steht nämlich genau für das Gegenteil von Menschlichkeit und einem offenen Miteinander, und trotzdem stelle ich mir die Frage, wer diese Wähler sind und warum sie diese Partei wählen. Wo haben wir den Zugang zu diesen Menschen verloren? Und wie kann man sie zurückholen?

 

Wen würden Sie vor dem Buch warnen und warum?
Ich glaube für alle, die sich in ihrem Schub­la­dendenken sicher fühlen und dort auch nicht dran rütteln wollen, könnte die Lektüre eine Her­aus­for­der­ung sein. Aber ich würde es dennoch allen empfehlen. Es ist ein Buch, das einem so viel Anstoß gibt zum Diskutieren und Nachdenken und zum Hinterfragen der eigenen Perspektiven auf das Leben und unser Miteinander und unser Wertesystem.

 

Was bleibt nach dem Lesen?
Es hat mich melancholisch gemacht, traurig. Aber auch zum Diskutieren stimuliert. Und es hat mich in meiner tiefsten Überzeugung bestärkt, dass der einzige loh­nens­werte Weg im Leben der des Herzens ist. In der Liebe liegt die Rettung. Und ich bin auch überzeugt davon, dass wir alle hinter unseren Ängsten und Schutz­mechanismen, unseren Aggressionen und An­griffen, von der tiefen Sehnsucht nach Liebe und Menschlichkeit erfüllt sind.

 

Wenn Sie mit einem Charakter aus dem Buch tauschen könnten, welcher wäre das und warum?
Ich möchte mit keinem der Charaktere tauschen. Aber als Schauspieler würde ich wahnsinnig gerne die po­la­risierende Figur des Gote spielen. Eine große Herausforderung wär das. Eine tolle Figur, die Juli Zeh da geschrieben hat. Tatsächlich hatten meine Frau und ich gehofft, dass wir die Filmrechte des Romans erwerben können. Wir wollten aus dem Roman unbedingt einen Kinofilm machen. Aber natürlich waren die Rechte schon vergeben, was sehr bedauerlich ist, weil ich nach wie vor glaube, dass wir genau die Richtigen wären, um diesen Stoff zu verfilmen.

 

Wo lesen Sie am liebsten und warum?
Auf dem Sofa oder am Küchentisch oder auch in der Bahn. Sitzend. Alles in der Horizontalen ist eher schwierig, weil ich die Tendenz habe, beim Lesen einzuschlafen.

 

Und was lesen Sie sonst so?
Mir fällt in diesem Moment auf, dass ich wohl ganz gerne Biografien lese, denn ich lese grade die Auto­bio­grafie von Elliot Page – »Pageboy«. Für danach habe ich mir schon Judith Holofernes‘ auto­bio­grafisches Buch »Die Träume anderer Leute« auf den Schreibtisch gelegt.

 

Wie vielseitig der Schauspieler Hanno Koffler ist, wird beim ersten Blick auf seine Vita deutlich: Vom prü­gelnden Nationalsozialisten in »Babylon Berlin« über den tollpatschig spielenden Juro in »Krabat« bis zum sensiblen mit seiner Homosexualität hadernden Polizeibeamten in dem Film »Freier Fall« spielt er all diese Rollen mit einer besonderen Tiefe und mit Ein­fühlungsvermögen in andere Menschen. Am vergangenen Samstag war er in der ARD in »Ziel­fahnder – Polarjagd« zu sehen. Sollten Sie den Film verpasst haben, können Sie ihn in der ARD-Mediathek nachschauen.

 

Über Menschen

von Juli Zeh (2021)

 

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