Der Schauspieler Robert Stadlober über den Roman »Der Unfall« des rumänischen Autors Mihail Sebastian:
»Das Buch gibt mir immer wieder von Neuem die Kraft, den wesentlich kleineren Verwerfungen und Herausforderungen unserer Zeiten mit einem schiefen, vorsichtigen Lächeln der Hoffnung entgegenzutreten.«
Wenn man oft an verschiedenen Ort schläft, in Betten die fremd sind, wenn sich die Badezimmertüren oft in genau der anderen Wand öffnen, als man eigentlich dachte, dann erfindet man sich Gewohnheiten, die das Ungewohnte zumindest etwas auf Abstand halten. Vielleicht sogar ein wenig Vertrautheit in die fremden Wände bringen können. Für einige sind es Duftkerzen, für andere Bilder der Liebsten auf dem Nachttisch. Für mich sind es bestimmte Bücher. Es gibt wenig mehr als eine Handvoll, von denen ich immer ein bis zwei mit auf Reisen nehme und sie neben das Bett, in dem ich schlafe, lege. Oft lese ich nicht einmal in ihnen, es hilft einfach, dass sie da sind. Dass ich ihre Geschichten, in denen ich mich besser auskenne als in dem jeweiligen Hotelzimmer oder der Aufgabe, die mir bevorsteht, bei mir weiß. Begonnen hat das Ganze mit einem Buch des rumänischen Autors Mihail Sebastian. Das Buch heißt »Der Unfall« und ist für mich das vielleicht schönste Buch der Welt. Die Geschichte ist recht einfach: Ein junger Mann auf der Suche nach dem Leben, verzweifelt verliebt in eine Frau, die ihn nicht liebt, trifft durch einen Unfall eine andere Frau, die ihm, lebensmüde, wie er ob der unerwiderten Liebe ist, die Schönheit des Lebens neu zeigt und auch die Möglichkeit einer anderen, wirklichen Liebe. Entstanden ist das Buch als letzter Roman Mihail Sebastians, bevor er aufgrund der antisemitischen Repressionen und der Verfolgung, denen er als Jude in den Vierzigerjahren in Rumänien ausgesetzt war, nicht mehr veröffentlichen durfte und konnte. Kurz nach dem Krieg wird Sebastian, nachdem er den Irrsinn des Faschismus überstanden hat, bei einem Unfall von einem Lkw überfahren und wird dadurch nicht zu einem der wichtigsten Autoren des 20. Jahrhunderts, zu dem er sonst zweifelsfrei geworden wäre. Dieses Schicksal kann er natürlich noch nicht erahnen, als er den Roman schreibt, aber er hat zu diesem Zeitpunkt bereits so viele Widerstände überwinden, so viele Grausamkeiten durchstehen müssen, dass er mehr weiß, mehr wissen muss über die Abgründe und Verwerfungen des Lebens, als es seinem Alter, er ist Anfang 30, eigentlich entspricht. Und dieses Wissen um die Kraft und Schönheit der kleinen Momente zwischen all dem Wahn der Welt fließt einem aus jeder Zeile entgegen. Und gibt mir immer wieder von Neuem die Kraft, den wesentlich kleineren Verwerfungen und Herausforderungen unserer Zeiten mit einem schiefen, vorsichtigen Lächeln der Hoffnung entgegenzutreten.
Mit 16 Jahren schmiss der in Österreich geborene Robert Stadlober die Schule, um Schauspieler zu werden. Seitdem hat er in über 100 Produktionen mitgespielt und dabei vor allem in Charakterrollen in Filmen wie »Crazy«, »Sonnenallee« oder »Ein ganzes Leben« geglänzt. Jetzt freuen wir uns besonders, ihn am 26. und 27. März in der sechsteiligen Miniserie »Kafka« in der ARD zu sehen – oder in der ARD-Mediathek. Ein Cast, der Großes verspricht: In der Hauptrolle als Kafka ist Joel Basman zu sehen. Daneben: David Kross, Liv Lisa Fries, Lars Eidinger, Charly Hübner, Katharina Thalbach und viele mehr.