Der Schriftsteller Michael Kumpfmüller über die Bücher von Georges Simenon:
»Nach dem Lesen bleibt die unendliche Freude an der Kraft und Schönheit der Literatur.«
Welches Buch hat Sie kürzlich begeistert?
Ich lese seit einigen Jahren kaum noch einzelne Bücher, sondern von Autoren, denen ich mich verbunden fühle, ALLES; bei Kafka habe ich das in meinem Leben zweimal gemacht, derzeit lese ich nur noch Georges Simenon.
Sein Werk in einem Satz:
Gute Literatur ist nicht dunkel oder verschwiemelt, sondern hell und klar und am Ende menschenfreundlich.
Wie sind Sie auf Simenon gekommen?
Ein Freund hat mir vergangenen Sommer einen Simenon-Roman zum Geburtstag geschenkt, und seither bin ich süchtig, womit ich beileibe nicht der Erste bin.
Was macht Simenon für Sie gerade jetzt aktuell?
Wir leben in einer Zeit, in der die Lust am Verrat grassiert, das Sich-besser-Dünken als andere. Simenon ist ein Autor, der seine Figuren nie und unter keinen Umständen verrät, sondern darauf beharrt, dass sie Menschen sind und bleiben.
Wen würden Sie vor Simenon warnen und warum?
Man muss vor Simenon nicht warnen. Aber man hüte sich vor den Klappentexten, die zerstören, was der große Reiz der Simenon-Lektüre ist: Dass man nie weiß, was den Figuren geschehen wird oder schon geschehen ist.
Was bleibt nach dem Lesen?
Die unendliche Freude an der Kraft und Schönheit der Literatur.
Haben Sie beim Lesen von Simenon etwas Neues über sich gelernt?
Dass ich mit gutem Grund Melancholiker bin und das nicht weiter schlimm ist.
Wenn Sie mit einem Charakter aus dem Buch tauschen könnten, welcher wäre das und warum?
So unzufrieden bin ich mit meinem Leben nun auch wieder nicht, dass ich das Leben von fiktiven oder realen Personen haben möchte.
Wo lesen Sie am liebsten und warum?
In der Badewanne – dem Ort, an dem neue Bücher zu mir kommen. Ich lese etwas, und wie aus dem Nichts habe ich plötzlich eine Idee, die allerdings nur dann etwas taugt (so meine Erfahrung), wenn ich die Badewanne vor Aufregung sofort verlasse.
Und was lesen Sie sonst so?
Fürs Erste immer weiter Simenon. Er hat fast 200 Romane geschrieben, und ich kenne gerade mal 70, habe also zum Glück noch viel zu tun.
Bevor Michael Kumpfmüller ein viel gefeierter Schriftsteller wurde, war er Praktikant im Feuilleton der ZEIT. Anfang der 1990er-Jahre war das. Über seine drei Monate bei der ZEIT hat er diesen sehr lesenswerten Text geschrieben → Keine vier Monate später begann er mit der Arbeit an seinem ersten Roman. Nach »Hampels Fluchten«, »Durst« und »Nachricht an alle« erschien 2011 »Die Herrlichkeit des Lebens« und wurde zum Bestseller. Dieses Jahr wurde der Roman unter der Regie von Georg Maas und Judith Kaufmann verfilmt. Am kommenden Wochenende jährt sich Franz Kafkas Todestag zum 100. Mal. Der berührende Film mit Sabin Tambrea und Henriette Confurius wird daher noch mal in vielen Kinos in Deutschland zu sehen sein. Das sollten Sie nicht verpassen!