Der Schauspieler Devid Striesow über den Karl-May-Roman »Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste« von dem Autor Philipp Schwenke:
»Es hat diese Art von Komik und Tragik, die der Literatur über den gegebenen Zeitpunkt hinaus eine Aktualität zugesteht.«
Richtig begeistert hat mich Philipp Schwenkes »Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste« – ein Karl-May-Roman, weil es dem Autor gelingt, den Leser auf die fantastische Orientreise des 57-jährigen Karl May mitzunehmen, seiner ersten und einzigen im Übrigen, nachdem er sich alle diese verrückten Charaktere ausgedacht hat. Man begegnet diesen Charakteren, gebündelt in der Person Karl May. Das führt zu skurrilen Situationen und Begegnungen, und man spürt Schritt für Schritt, dass da jemand ist, der unter einer großen Selbstüberschätzung leidet, bis hin zur Realitätsaufgabe.
Nichts von dem, was er zehn Jahre zuvor in seinen Büchern beschrieben hat, ist Wirklichkeit. Er reitet nicht mit wilden Wüstenstämmen durch den Orient, sondern geht mit dem Reiseführer in der Hand von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit und schläft in bequemen Hotels. Und während seiner Abwesenheit entstehen im Heimatland berechtigte Zweifel an seinen Behauptungen aus den Romanen: Er könne 800 Sprachen sprechen und sei Old Shatterhand und so weiter.
Dazu kommt noch eine reichlich verzwickte Dreiecksliebesgeschichte. Wer dieses Buch liest, wird alles darüber erfahren – es lohnt sich. Es hat diese Art von Komik und Tragik, die der Literatur über den gegebenen Zeitpunkt hinaus eine Aktualität zugesteht. Dazu kommt die Bildhaftigkeit in der Sprache der Figuren, die ich als absolut einprägsam und faszinierend empfinde. Als Schauspieler fesseln mich Schicksale von Menschen, die diese große Fallhöhe von Erfolg und Scheitern als Zwangsläufigkeit aufweisen. Ein Charakter, den ich, würde man mich fragen: »Wen würden Sie gerne mal spielen wollen?«, unbedingt nennen würde.
Ansonsten lese ich berufsbedingt zeitweise einige Drehbücher, Theater- und Hörbuchtexte gleichzeitig und muss an dieser Stelle gestehen, dass ich ein sehr langsamer Leser bin, der teilweise auch gerne mal wieder ein paar Zeilen zurückgeht. Und ich lese, wenn es das Umfeld nicht allzu sehr stört, gerne laut. Jetzt gerade bereite ich mich auf die lit.COLOGNE vor und habe mich in Tana Frenchs außergewöhnlichen Kriminalroman »Der Sucher« vergraben.
Der Schauspieler Devid Striesow wuchs in Rostock auf und begann zunächst eine Lehre zum Goldschmied, bevor er zur Schauspielerei wechselte. Seitdem wirkte er in über 120 Film- und Fernsehproduktionen mit, und sein Gesicht ist durch verschiedenste Rollen bekannt geworden. Ob in »Lichter«, oder in der Rolle als Gefängnisvernehmer in der DDR-Geschichte »12 heißt: Ich liebe dich«. Und, sehr erfolgreich, als Hape Kerkeling in der Verfilmung von »Ich bin dann mal weg«. In jüngster Zeit fiel Striesow vor allem als Privatdetektiv Andi Schwartz in der TV-Reihe »Schwartz & Schwartz« auf.
Ganz aktuell zu sehen ist der 49-Jährige in »Trübe Wolken«, einem Thriller von Christian Schäfer, der ab heute in den Kinos anläuft. Hier spielt er den Lehrer des 17-jährigen Paul. Überrascht hat der Wahl-Berliner kürzlich auch mit dem Buch »Klassik drastisch – Lippenbekenntnisse zweier Musik-Nerds«,gemeinsam mit Axel Ranisch. Nicht zu vergessen ist, dass Striesow auch ein brillanter Vorleser ist. Zuletzt war seine unglaublich modulierfähige Stimme zu hören im Hörbuch »Die Verteidigung«, dem Roman von Fridolin Schley über den Nürnberger Prozess gegen Ernst von Weizsäcker.