Die Moderatorin Sabine Heinrich über die Romane »Geh, wohin dein Herz dich trägt« von Susanna Tamaro und »Hard Land« von Benedict Wells:
»Die Bücher sind eine laute Erinnerung daran, die Zeit JETZT zu genießen.«
Welches Buch hat Sie kürzlich richtig begeistert?
Es ist die Kombination aus zwei Büchern, die ich gelesen habe. Zusammen berühren und beschäftigen sie mich nachhaltig. Ich habe zuerst »Geh, wohin Dein Herz Dich trägt« von Susanna Tamaro gelesen und dann direkt hinterher »Hard Land« von Benedict Wells.
In dem Buch von Susanna Tamaro schreibt eine alte Frau ihrer Enkeltochter einen Brief – sie schreibt ihr Leben auf. Das Verhältnis zwischen beiden war zuletzt nicht gut, und die Großmutter erklärt ihr Leben. Sie erklärt, aber sie rechtfertigt es nicht. Sanftmütig und doch entschlossen betrachtet sie, was sie erlebt hat, und gewinnt dabei wertvolle Erkenntnisse: »Weißt Du, welchen Fehler man immer wieder macht? Den, zu glauben, das Leben sei unwandelbar, und wenn man einmal einen Weg eingeschlagen habe, müsse man ihn auch bis zum Ende gehen.«
Direkt danach, die Tränen waren kaum getrocknet, habe ich »Hard Land« gelesen. Ein Coming-of-Age-Roman über einen Jungen in der amerikanischen Provinz. Es geht um den Sommer 1985, und gleich der erste Satz schafft Fakten: »In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.«
Können Sie sich mit einer Figur aus dem Buch identifizieren?
Weniger mit den Figuren als mit ihrer Situation. Sam erlebt in »Hard Land« einen wilden Sommer mit Freunden am See, mit Kirstie, die sich auf seinen Fahrradgepäckträger stellt und während der Fahrt ruft: »Schneller! Du musst stärker treten«, und ich spüre den warmen Wind und die unendliche Freiheit und frage mich, ob ich das jemals so gelebt habe: War ich ausreichend unbeschwert? Oder war ich immer die, die stärker in die Pedale tritt?
Und dann sehe ich wieder diese alte, kluge Frau am Küchentisch sitzen, höre die Küchenuhr ticken und liebe, mit welcher Güte sie auf ihr strenges Leben blickt.
Ich bin 47 Jahre alt, bin wild berufstätig und versuche eine gute Mutter und Gefährtin zu sein. Ebenso wie es viele andere erleben, zermürben auch mich oft die Rollen und Routinen des Alltags. Dann möchte ich gern auf dem Gepäckträger stehen und den warmen Fahrtwind spüren, und ich wünsche mir, dass ich am Ende »gut« mit mir bin.
Haben Sie aus diesen Büchern etwas Neues über sich gelernt?
Es war wie eine laute Erinnerung daran, die Zeit JETZT zu genießen.
Und was lesen Sie sonst so?
Ich mag gut erzählte Geschichten und bin kein Krimi-Typ, mir ist das zu gruselig, zu aufreibend. Überhaupt liebe ich es, wenn mir gute Menschen Bücher empfehlen – das ist immer sehr spannend. Meine »Frau TV«-Redakteurin Barbara Brückner hat immer ein gutes Händchen, meine Lieblingsbuchhändlerin Dorothee auch.
Diese beiden Bücher hat mir übrigens Atze Schöder empfohlen – er hat einen großen Sinn dafür, wie schön es ist, sich in Büchern und Geschichten zu verlieren und zu finden.
Die Hörfunk- und Fernsehmoderatorin Sabine Heinrich ist das Gesicht von »Frau TV«, dem populären Magazin in der ARD. Quer durch alle Lebensbereiche werden Themen aufgegriffen, die Frauen etwas angehen: Medizin, Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und einige mehr. Aber das allein lastet eine routinierte Journalistin wie sie nicht aus. Daher hostet sie auch den Podcast »Hirn & Heinrich« und moderiert regelmäßig »Das große Deutschland-Quiz« im ZDF. Ihr Roman »Sehnsucht ist ein Notfall« erschien 2014 bei KiWi.