Die Schauspielerin Kathrin Angerer über das Porträt »Drei Frauen träumten vom Sozialismus« von der Journalistin Carolin Würfel:
»Carolin Würfel gelingt es, die ostdeutsche Geschichte wieder wachzurufen und lebendig werden zu lassen mit allen Vor- und Nachteilen.«
Was macht das Buch für Sie gerade aktuell?
Es geht in diesem Buch um drei Schriftstellerinnen, Frauen aus der ehemaligen DDR, die von einer besseren Welt träumten, für die sie gelebt und vor allem geschrieben haben. Es geht um ihre Herkunft, ihre elterlichen Prägungen, Einflüsse, wie sie zum Schreiben kamen, um Liebe, Leidenschaften und die Konfrontation mit einer Gesellschaft, deren Idee humanitär und sozial gerecht für alle sein sollte. Es geht auch um die immer mehr auftauchenden Widersprüche und die damit verbundenen Auseinandersetzungen. Das ist großartig erzählt, emphatisch für die einzelnen Schicksale, die Carolin Würfel auf besondere Art und Weise miteinander verknüpft. Maxi Wander, Brigitte Reimann und Christa Wolf. Zu Maxi Wander hatte ich bereits vor dieser Lektüre eine große Nähe. Sie interviewte in den Siebzigerjahren unterschiedlichste Frauen aus verschiedensten Schichten. Für die damalige Zeit waren das unglaubliche Offenbarungen – im Übrigen bis heute. Unter dem Titel »Guten Morgen, du Schöne« wurde das Buch veröffentlicht. Dazu gab es im Deutschen Theater eine Lesung mit den besten SchauspielerInnen, die die DDR zu bieten hatte, und aus dieser Lesung wurde eine wundervolle Schallplatte bei Amiga gepresst, die meine Mutter rauf und runter hörte und ich somit auch (ich war vielleicht zehn Jahre alt), aber ich liebte sie, und irgendwie verstand ich es auch. Man muss das gelesen haben! Carolin Würfel gelingt es, die ostdeutsche Geschichte wieder wachzurufen und lebendig werden zu lassen mit allen Vor- und Nachteilen, sie schildert die zum Teil sehr harten Realitäten, beschreibt aber auch eine seltsame Klarheit, an die ich mich genauso noch erinnere. Alles wurzelt in der Geschichte. Aktuelle Fragen, Probleme, Auseinandersetzungen können immer nur im Zusammenhang mit unserer Geschichte, der historischen als auch unserer persönlichen, vielleicht gelöst, beantwortet oder hinterfragt werden. Persönliches Verständnis wächst auch aus dem Verstehen, der Kenntnis der Geschichte.
Was bleibt nach dem Lesen?
Schon Wehmut. Schon Schmerz darüber, dass die Welt trotz aller Erfahrungen und Aufopferungen von immer wieder so starken und einzigartigen Menschen, wie zum Beispiel diesen drei Ikonen, Heroinnen, nicht viel besser geworden ist. Aber auch eine große Lust auf diese wunderbare Literatur, die diese drei Unglaublichen hinterlassen haben. Vor allem habe ich durch dieses Buch aber auch endlich meine Vorurteile gegen Christa Wolf abbauen können, ich dachte immer, sie sei eine privilegierte Mitläuferin gewesen, aber nein, das war sie wirklich nicht!
Wenn Sie mit einem Charakter aus dem Buch tauschen könnten, welcher wäre das und warum?
Alle drei ertragen wirklich schwere Schicksale. Aber jede hat so faszinierende Seiten. Jede Einzelne ist so eine liebenswerte Persönlichkeit. Jede von ihnen hat so viel Durchhaltevermögen, was für Kräfte. Und vielleicht wünscht man sich, dass irgendwie alle auf so eine intensive Art und Weise leben sollten, mich natürlich eingeschlossen.
Und was lesen Sie sonst?
Meistens verrät mir das gerade gelesene Buch das nächste. »Was bleibt« von Christa Wolf habe ich direkt danach gelesen. Jetzt bin ich mit den Tagebüchern von Brigitte Reimann beschäftigt, und darin werde ich sicher die nächste Buchempfehlung finden usw., usw.
Die Schauspielerin Kathrin Angerer wurde in Oranienburg geboren. Sie ist aus diversen Filmen wie »Gundermann« und Serien wie »Kleo« bekannt. Ab morgen (15. März) ist sie neben Martina Gedeck und Alexander Fehling in der Sky-Serie »Helgoland 513« zu sehen. In der dystopischen Dramaserie geht es um Deutschlands einzige Hochseeinsel, die während einer Pandemie im Jahr 2039 zum Rückzugsort einer kleinen totalitärer Gemeinschaft Überlebender wird. Jeder der 513 Menschen muss dafür einen großen Preis bezahlen.