Twitter-Phänomen und Satiriker Sebastian Hotz alias El Hotzo empfiehlt die Biografie »Schumacher« von Sabine Kehm und dem Fotografen Michel Comte:
»Ohne Koketterie kann ich daher sagen, dass ›Schumacher‹ aus Feder und Objektiv von Sabine Kehm und Michel Comte sicherlich zu meinen meistgelesenen und damit wahrscheinlich automatisch auch zu den inspirierendsten Büchern meines Lebens gehört.«
Mit der nervigen Unaufhaltsamkeit, die das Fortschreiten der Zeit irgendwie so an sich hat, neigt sich auch das scheinbar endlose Jahr 2020 seinem Ende zu. Viele bezeichnen die zurückliegenden zwölf Monate als die schlimmsten ihres Lebens, ein Umstand, der, wie es die Gesetze des Internets gebieten, in Windeseile in Meme-Formate gegossen wurde, um aus dem kollektiven Leid Unterhaltung und am besten noch ein paar Tausend Likes zu generieren. Ein traumatisierendes Ereignis wie eine Pandemie ist ein völlig neuer Eindruck für junge Menschen wie mich, die für den Großteil des bisherigen Leids in ihrem Leben größtenteils selbst verantwortlich waren. Und so waren es bei mir vor allem sportliche Dramen, die den Emotionen meines noch längst nicht zu Ende entwickelten Gehirns zeigen sollten, wie klein die Nussschale des Glücks in den wogenden Wellen des Weltgeschehens ist.
Am Sternenhimmel der deutschen Sporthelden leuchten dabei die üblichen Verdächtigen: Becker, Kahn, Beckenbauer, Matthäus, weiter hinten vielleicht Boll und Hambüchen. Nahtlos in dieses Pantheon der prototypischen Männlichkeit fügt sich das hervorgereckte Kinn Michael Schumachers ein. Er ist ein insbesondere für Kinder sehr zugänglicher Held, weil er einem einfachen Sport (im Kreis fahren) in einem hübschen Auto (rot) mit simplen Zielen (der Schnellste sein) nachging. Meine mittelständische Auffassung von Leid konzentrierte sich daher als Kind vor allem auf geplatzte Motoren in Suzuka, Kollisionen in Monte Carlo, Rücktrittsverkündungen in Monza und junge Spanier, die meinem Helden seinen – meiner Wahrnehmung nach – per Naturgesetz zustehenden Platz an der Spitze des Podiums streitbar machten.
Ohne Koketterie kann ich daher sagen, dass »Schumacher« aus Feder und Objektiv von der ehemaligen Sportjournalistin Sabine Kehm und dem Starfotografen Michel Comte sicherlich zu meinen meistgelesenen und damit wahrscheinlich automatisch auch zu den inspirierendsten Büchern meines Lebens gehört. Illustriert wird eine Sportlerkarriere, deren schier grenzenlose Erfolgsperiode zwischen 2000 und 2004 eingerahmt ist vom Scheitern, das oft fremd-, zuweilen aber auch selbst verschuldet war. Bedingt durch das Erscheinungsjahr des Buches, 2006, nach dem Rücktritt, der sich später als vorläufig herausstellen sollte, bleibt der beschriebene Lebenslauf für die Lesenden unvollständig und muss nach der – zugegebenermaßen sehr anspruchslosen, dafür aber sehr kurzweiligen – Lektüre durch eigenes Wissen selbst ergänzt werden. Ergänzt um das Comeback, bei dem er in unterlegenem Material den überzogenen Erwartungen nicht gerecht werden konnte, ergänzt um die vom Boulevard schamlos breitgetretenen Spekulationen über seine Gesundheit und nicht zuletzt um den jüngsten Eintrag in die schumachersche Rennfahrerhistorie: den Aufstieg seines Sohnes Mick (irgendwie weirde Namenswahl, wenn man selbst Michael heißt? Aber no offense) in die Königsklasse des Rennsports.
Sebastian Hotz – im Internet besser bekannt unter dem Pseudonym El Hotzo – postet bei Twitter und Instagram satirische Beiträge. Seine klugen Witze sind meist selbstkritisch, oft politisch und eigentlich immer so treffend zynisch, dass es fast wehtut. In der NDR-Talkshow »deep und deutlich« bezeichnet er sich selbst als den »Jeff Bezos für Instagram-Likes«, weil seine Postings vom Instagram-Algorithmus besonders bevorteilt werden. In der neuen ZEIT Campus-Ausgabe wird er vorgestellt als einer von dreißig Menschen, die in der Krise unseren Alltag lustiger besser und gerechter gemacht haben.