Der Galerist Gerd Harry Lybke über den Kunst-Katalog »Jemanden Fragen« der bildenden Künstlerin Birgit Brenner zu ihrer Ausstellung in der Städtischen Galerie Wolfsburg:
»Diesen ganz besonderen Katalog sollte sich jeder Mensch anschauen, drei Ausrufezeichen.«
Als Galerist bekomme ich viele KünstlerInnen-Kataloge in die Hand. Richtig begeistert hat mich aber der aktuelle Katalog von Birgit Brenner zu ihrer Ausstellung in der Städtischen Galerie Wolfsburg: »Jemanden Fragen« (sic). Das ist in jeglicher Hinsicht ein Meisterwerk! Die Ausstellung in der Städtischen Galerie Wolfsburg, die auf sechs Etagen zeitgenössische Kunst präsentiert, ist zwar verlängert worden bis zum 18.Juli, aber die Öffnungszeiten sind – wen wundert es in diesen Zeiten?! – variabel. Daher ist dieser Katalog wenn auch kein Ersatz für das echte Erlebnis, so doch ein großartiges Hilfsmittel, um die Arbeiten von Birgit Brenner zu studieren. Sie ist übrigens Trägerin des Wolfsburger Kunstpreises 2020.
»Ich werfe Bilder in die Welt und sage, so könnte man die Dinge sehen«, sagt Birgit Brenner. In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich mit gesellschaftlichen und privaten Zuständen, mit der Suche nach Liebe und der Eintönigkeit des Alltags. Deshalb sind eben nicht nur ihre Zeichnungen, Installationen und Videos, sondern auch dieses Buch immer super aktuell. Nicht zuletzt weil in diesem Katalog und in der dazugehörigen Ausstellung Arbeiten abgebildet sind, die während ihres Stipendienaufenthaltes in der Villa Massimo in Rom (September 2019 – Juni 2020) entstanden und die vor dem Hintergrund eine besondere Relevanz enthalten. Ich denke da zum Beispiel an »Promise and other lies«, montiert aus 1000 Kilogramm gelasertem Stahl. Also, diesen ganz besonderen Katalog sollte sich jeder Mensch anschauen, drei Ausrufezeichen.
Es ist aber nicht so, dass ich ausschließlich Bücher zum Thema Kunst lese – nein! In meinem Bücherregal befinden sich viele Bücher zum Thema Kochen, Philosophie und Kunst! Und ein Kochbuch, in das ich immer wieder hineinschaue, ist das »Harrys Bar-Kochbuch«.
Gerd Harry Lybke, besser bekannt als Judy Lybke, ist einer der umtriebigsten und bedeutendsten Kunsthändler in Deutschland, eigentlich in Europa. In Peking ist seine Galerie »EIGEN + ART« ebenso geläufig wie in Basel, New York oder Miami. Früh schon hat er sich angewöhnt, Veränderungen so lange anzuschauen, bis sich die Chance darin erkennen lässt. Als NVA-Soldat fiel er durch Aufsässigkeit auf – er hatte auf eine Mauer »Make love not war« gesprüht und wurde daraufhin in die Bücherei versetzt, was ihm deutlich besser gefiel als der Kasernenhof. Seine erste Galerie eröffnete er vor 28 Jahren in Leipzig, »Die neuen Unkonkreten« lautete der Titel der ersten Ausstellung. Die Neue Leipziger Schule um Neo Rauch ist ohne Lybke nicht vorstellbar. Tim Eitel, Carsten Nicolai und Christine Hill zählen zu den von ihm vertretenen KünstlerInnen. Naheliegend, dass Judy Lybke ein Vielleser ist.