ZEIT-Autorin Greta Taubert über »Nichts als die Welt – Reportagen und Augenzeugenberichte aus 2500 Jahren« Herausgegeben von Georg Brunhold:
»Das Buch ist sowieso die ideale Lockdown-Lektüre, denn es ermöglicht, sich frei in der Welt und der Zeit bewegen zu können.«
»Nichts als die Welt« ist das größte Buch von allen – von seinen Ausmaßen in meinem Bücherschrank, aber auch in meinem Leseleben. Man kann es zwar nicht ohne Sehnenscheidenentzündung irgendwo mit hinnehmen, aber wo soll man jetzt auch schon hin? Das Buch ist sowieso die ideale Lockdown-Lektüre, denn es ermöglicht, sich frei in der Welt und der Zeit bewegen zu können. Ich sitze auf der Couch und plötzlich ist es beispielsweise der 10. Oktober 1492. Sturmvögel und grünes Schilfrohr streichen an den Karavellen von Christoph Kolumbus vorbei. Die ersten Zeichen der neuen Welt. »Um zwei Uhr morgens kam Land in Sicht« schreibt Kolumbus nüchtern in sein Logbuch. Ein Satz für die Ewigkeit. Insgesamt 154 Auszüge solcher Augenzeugenberichte versammelt der Band – von Herodot über Ceasar, Stendhal, Luxemburg, Lawrence, Kisch bis hin zu Trojanow und Enzensberger. Natürlich hätten es ein paar mehr Frauen sein können, sonst guckt man eben doch wie so oft in »Nichts als die Männerwelt«. Trotzdem kribbelt es, bei epochalen Momenten der Weltgeschichte unmittelbar dabei sein zu können. Mal durch das schwefelige Laternenlicht vom Wien der Jahrhundertwende zu schreiten, mal über die Ruinen von Warschau nach dem Zweiten Weltkrieg, mal am Fließband eines Stahlwerks. Durch die Augen der bekanntesten Reporter*innen in die Wirklichkeiten der Welt schauen zu können, eröffnet auch einen neuen Blick auf das eigene Leben. Die eigenen Pandemien und Krisen werden ins Verhältnis gesetzt und erscheinen deutlich kleiner. Es ist ein wirklich großes Buch.
Greta Taubert ist Reporterin und freie Autorin unter anderem für DIE ZEIT. Sie lebt in Leipzig, reist aber für ihre Arbeit am liebsten dorthin, wo es unbequem, abseitig oder abenteuerlich wird. Sie mag es, fremde Welten nicht nur beobachtend zu beschreiben, sondern in sie teilnehmend einzutauchen. Im Aufbau-Verlag erschien zuletzt »Guten Morgen, du Schöner«, eine Sammlung von Protokollen ostdeutscher Männer der Dritten Generation, aus der sie vor einiger Zeit für uns vorgelesen hat.