Der Schriftsteller, Musiker und Schauspieler Heinz Strunk über den Roman »Ist das ein Mensch?« von Primo Levi:
»Überzeugten Nazis würde ich die Lektüre eher nicht empfehlen.«
Lesen hält der viel beschäftigte Heinz Strunk für überlebenswichtig, die Liste der allein in diesem Jahr von ihm bewältigten Titel (siehe unten) umfasst nicht weniger als 22 Werke. Empfehlen will Strunk in diesem Newsletter aber besonders Primo Levis Jahrhundertroman »Ist das ein Mensch?«. Darin schildert Levi seinen elfmonatigen Aufenthalt im KZ Auschwitz III Monowitz. Von vielen anderen Holocaust-Schilderungen hebt sich Levis Buch ab durch eine äußerst nüchterne Darstellung der unmenschlichen Lebensumstände. Sein Bericht verzichtet nahezu vollständig auf eine emotionale Darstellung der Erlebnisse. »Ist das ein Mensch?« wurde bereits 1947 erstmals veröffentlicht, aber erst 1958 ein in viele Sprachen übersetzter Welterfolg.
Dass Levis Roman Aufmerksamkeit verdient, begründet Strunk so: »Nationalsozialistische Verbrechen waren und sind stets topaktuell.« Und fügt hinzu: »Überzeugten Nazis würde ich die Lektüre eher nicht empfehlen«, er hält sie offensichtlich für unbelehrbar.
Was Strunk allein 2020 so weggelesen hat, verdient Respekt und Staunen gleichermaßen:
Raymond Carver, »Von wo ich anrufe«(2014); Thomas Bernhard, »Erzählungen«; Paolo Giordano, »Die Einsamkeit der Primzahlen« (2008); Xaver Bayer, »Geschichten mit Marianne« (2020); Lucia Berlin, »Was ich sonst noch verpasst habe« (2015); Peter Handke, »Wunschloses Unglück« (1972); Hermann Hesse, »Demian« (1919); Jack Kerouac, »Unterwegs« (1957); Joseph Roth, »Hiob« (1930); Sylvia Plath, »Die Glasglocke« (1963); Niccolo Ammaniti, »Wie es Gott gefällt« (2008); Milan Kundera, »Das Buch der lächerlichen Liebe« (1969); Anton Tschechow, »Meistererzählungen« (2000); Elena Ferrante, »Meine geniale Freundin« (2011); Marlen Haushofer, »Schreckliche Treue« (1968); Stefan Zweig, »Verwirrung der Gefühle« (1927); Ottessa Moshfegh, »Mein Jahr der Ruhe und Entspannung« (2018) und »Heimweh nach einer anderen Welt« (2020); Milan Kundera, »Der Scherz« (1967), T. C. Boyle, »América« (1995), »Grün ist die Hoffnung« (1984) und »Drop City« (2003).
Bücher zu sammeln hält Strunk allerdings für abwegig: Was er gelesen hat, wird immer gleich weiterverschenkt. Ein Selfie mit Buch – nein, das gibt es von ihm nicht.
Heinz Strunk, Schriftsteller, Musiker und Schauspieler, lebt in Hamburg. Berühmt wurde er mit der Erzählung »Fleisch ist mein Gemüse«, in der er über seine Zeit als Musiker in einer Tanzkapelle schreibt. Sein Roman »Der goldene Handschuh« wurde 2019 von Fatih Akin verfilmt.