Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach über das Sachbuch »Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens« von Richard David Precht:
»Das Buch ist sehr aktuell, weil derzeit in die künstliche Intelligenz massiv investiert wird. Dabei herrscht allerdings kein Einvernehmen darüber, was wir von ihr erwarten können oder wollen.«
Ich lese gerade Richard David Prechts (links im Bild) neues Buch »Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens«. Er beschäftigt sich darin unter anderem mit der Frage, ob Roboter oder Computer mittels künstlicher Intelligenz jemals Gefühle oder einen Willen entwickeln können. Dies wird von vielen Trans- und Posthumanisten entweder sehnsüchtig erwartet, wie von Raymond Kurzweil, dem Google-Entwicklungschef, oder angstvoll gefürchtet, etwa von dem Tesla-Boss Elon Musk. Ich teile die Einschätzung von Precht, dass künstliche Intelligenz aus kategorischen Gründen beides nicht erreichen kann und somit die tatsächliche Gefahr von KI in einer ganz anderen Dimension liegt. Wir verlieren möglicherweise den Sinn für unser Leben, indem wir in unserem Alltag immer mehr künstliche Intelligenz zulassen. Darüber hinaus blendet die künstliche Intelligenz auch völlig die bevorstehende Klimakatastrophe aus. Ja sie kann diese sogar beschleunigen.
Das Buch ist sehr aktuell, weil derzeit in die künstliche Intelligenz massiv investiert wird. Dabei herrscht allerdings kein Einvernehmen darüber, was wir von ihr erwarten können oder wollen. Die Konsequenzen einer massiven Durchdringung unseres Alltags durch Artefakte der künstlichen Intelligenz werden meines Erachtens unterschätzt. Das Thema ist also hochaktuell. Die Geschäftsmodelle der KI gehen davon aus, dass der Mensch und überhaupt alle Lebewesen im Rahmen der Evolution sich ständig optimieren wollen. Beides ist falsch, allerdings ist die Fehlannahme extrem bedeutsam für die Art und Weise, wie wir unser Wirtschaftssystem lenken. Der Wille zur Maximierung und Optimierung ist mit den Beschränkungen der Ressourcen nicht vereinbar und auch kein erstrebenswertes Lebensziel.
Die Lektüre lohnt sich für jeden, der über diese großen Fragen nachdenken möchte, und bietet eher dazu eine Gelegenheit, als dass es dogmatische Thesen vertritt. Für Spezialisten, die die Grenzen der künstlichen Intelligenz erkunden wollen, ist es weniger geeignet.
Bekanntlich bin ich ein Vielleser. In erster Linie sind es momentan zahllose Studien zur Epidemiologie und über die Grundlagen des Coronavirus. Parallel lese ich, wie immer, Artikel und Bücher in meinen drei Hobbybereichen: Philosophie, Physik und Klimawandel.
Karl Lauterbach ist Mediziner und Gesundheitsökonom. Seit 2005 sitzt er für die SPD im Bundestag und äußert sich aktuell häufig zur Corona-Krise. Lesen Sie in diesem ZEIT-Artikel von unserem Kollegen Peter Dausend, warum Lauterbach mehr von Epidemien versteht als die meisten anderen Politiker und häufig sogar recht hat.