Europapolitikerin Katarina Barley über »Marianengraben« von Jasmin Schreiber:
»Ich habe die Nacht durchgelesen, dabei laut gelacht und geweint – manchmal beides gleichzeitig.«
Welches Buch hat Sie kürzlich begeistert?
Ein Buch, das ich nicht aus der Hand legen konnte und seitdem schon unzählige Male empfohlen und verschenkt habe, ist »Marianengraben« von Jasmin Schreiber. Ich habe die Nacht durchgelesen, dabei laut gelacht und geweint – manchmal beides gleichzeitig. Man spürt, dass eigenes Erleben in diese Zeilen eingeflossen ist.
Es geht um schwierige Themen – Tod, Trauer, Schuldgefühle. Zwei ungewöhnliche Charaktere treffen sich an einem ungewöhnlichen Ort zu ungewöhnlicher Zeit – mitten in der Nacht auf einem Friedhof. Aber schon die erste Begegnung in diesem eher düsteren Setting mündet in einer urkomischen Situation. Aus einer Zufallsbekanntschaft entsteht erst eine Notgemeinschaft und schließlich eine Art Wahlverwandtschaft. Von Beginn bis Ende ist »Marianengraben« gleichzeitig traurig und komisch. Mich hat es tief berührt.
Handelt es sich um ein Buch, das gerade jetzt aktuell ist?
Es ist ein Buch über Menschen, die das Gefühl haben, anders zu sein, nicht dazuzugehören. Über Trauer, die überwältigt und das Leben verändert. Und ein Buch darüber, was hilft: Menschen, die – ohne viele Worte – mitfühlen, Tiere, Humor. Diese Themen sind immer aktuell. Aber in Corona-Zeiten sind Menschen, die sich einsam oder unverstanden fühlen, oft noch stärker isoliert und allein. Vielleicht tut es ihnen gerade jetzt gut, dieses wundervolle Buch zu lesen.
Wem würden Sie es eher nicht empfehlen?
Da fällt mir kaum jemand ein. Vielleicht erscheint das Setting mancher Leserin oder manchem Leser erst einmal zu schräg. Aber wenn man sich darauf einlässt und die Tür aufmacht zu dem traurigen Ort, den wohl jeder von uns auf eine Weise in sich trägt, dann kann etwas Wundervolles geschehen.
Und was lesen Sie sonst so?
Natürlich lese ich berufsbedingt viele Sachbücher, aber mehr Spaß habe ich an Belletristik. Im Urlaub hatte ich eine große Büchertasche dabei, eine bunte Mischung. Darunter »The Tao of Pooh« von Benjamin Hoff und »Neujahr« von Juli Zeh – beide kann ich sehr empfehlen.
Katarina Barley arbeitete als Juristin unter anderem am Bundesverfassungsgericht. Von 2017 bis 2019 war sie Bundesjustizministerin. Seit Juli 2019 ist sie Abgeordnete des Europäischen Parlaments und dessen Vizepräsidentin. Wenn Sie mehr über Katarina Barley erfahren wollen, empfehlen wir den »Alles gesagt«-Podcast der ZEIT-ONLINE-Kollegen. Dort spricht sie etwa über ihre Identitäten als Deutsche, Britin, Feministin, Triererin und Rock-’n‘-Roll-Tänzerin.