© Lennart Schneider

ZEIT-Redakteur Lars Weisbrod über den Science-Fiction-Klassiker »Dune« von Frank Herbert:

»Wer heute also den Roman ›Dune‹ wieder zuschlägt, der findet sich so bewegt, wie nur die großen Werke der Science-Fiction uns bewegen können.«

 

Als ich klein war, dachte ich, die Zukunft birgt unzählige Überraschungen und Abenteuer, tollkühne Maschinen und superintelligente Wesen. Wie ich mich geirrt habe; nichts davon wurde wahr. Was kann man heute, was man früher nicht konnte? Einen prekär beschäftigten Fahrradkurier drangsalieren, der die wässrigen Tomaten aus dem Supermarkt bis zur Wohnungstür liefert. Daran muss ich denken, wenn ich an »Dune« denke. 1965 schrieb Frank Herbert seinen Science-Fiction-Klassiker. Wer ihn heute aufschlägt, wird sofort Verbindungen knüpfen zwischen der Zukunftswelt des Romans und unserer echten Welt im Jahr 2021. Jetzt, wo die brandneue Hollywood-Verfilmung des Stoffs in den Kinos läuft, werden Kritiker zum Beispiel darauf hinweisen, wie gekonnt Herbert in seinem Buch ökologische Fragen und antiimperialistische Kämpfe miteinander verschränkt hat. Auf dem Wüstenplaneten Arrakis bekriegen Nomadenstämme und kaiserliche Soldaten einander; ein kostbarer Rohstoff namens Spice ist der Grund. Nur hier, in der Hitze von Arrakis, kann man diese Ressource dem Sand entreißen, und ohne das Spice können die Raumflotten der großen Adelshäuser nicht fliegen. Ist das nicht, wie man so sagt, erschreckend aktuell?

Aber unsere Welt gleicht der aus dem Buch noch auf eine andere Weise. Zehntausende Jahre in die Zukunft entwirft Frank Herbert eine Zivilisation, in der technischer Fortschritt und politische Emanzipation vor der Macht endgültig kapituliert haben; das Universum ist längst zurückgestürzt in einen trostlosen Feudalismus. So brutal walten hier Ständeordnung und Beharrungskräfte, dass der technische Fortschritt sich diesen Kräften beugen muss. Er zeigt sich nur noch dort als »Innovation«, wo gewissenlose Fürsten und religiöse Fanatiker ein neues Gadget sich leisten oder die Unterdrückten ums nackte Überleben kämpfen. Da mischt mal einer ein neues Gift an, um den verhassten Hausherrn zu meuchelmorden, oder die Wüstenkämpfer tragen Ganzkörperanzüge, deren Röhrchen und Schläuche aus Körperausdünstungen kostbares Trinkwasser destillieren. Sonst aber schrumpft Technik wieder zu Magie und Mimikry: Flugzeuge schlagen mit den Flügeln wie Vögel, das Navigieren der Raumschiffe überlässt man den Schamanen. Wer heute also den Roman »Dune« wieder zuschlägt, der findet sich so bewegt, wie nur die großen Werke der Science-Fiction uns bewegen können: Irgendwer hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen und jetzt falle ich. Leben nicht auch wir heute in einer Welt, in der keine technische und keine politische Neuheit mehr auf uns wartet, die uns aus der Traurigkeit reißen könnte, unter die man uns zwingt?

 

Lars Weisbrod müssen wir Ihnen vermutlich gar nicht vorstellen, wenn Sie ihn nicht aus seinen Artikeln in der ZEIT kennen, dann vielleicht weil Sie einer von seinen knapp 40.000 Followern auf Twitter sind. Wie unterhaltsam der Kollege ist, beweist er aber auch im Podcast »Die sogenannte Gegenwart«. Darin begleiten Lars und seine Feuilleton-Kollegen Nina Pauer und Ijoma Mangold und Apples Sprachassistentin Siri die Hörerinnen und Hörer durch die Jetztzeit. Wie tröstlich er die Kunstform Science-Fiction findet, wenn sich die ganze Welt ändert, lesen Sie in seinem Text »Undenkbar!« vom Beginn der Pandemie.

 

Der Wüstenplanet

Von Frank Herbert 2016 (Ersterscheinung 1965)

Tausende von Jahren in der Zukunft und eine fantastische und ungemein harte Welt: Arrakis, der Wüstenplanet. Die Menschheit hat es geschafft, sich dieser lebensfeindlichen Umwelt anzupassen. Vor fünfzig Jahren erschien Frank Herberts Roman »Dune« (deutscher Titel »Der Wüstenplanet«) und wurde zum weltweiten Bestseller. Die daraus entstandene gleichnamige Reihe von Science-Fiction-Romanen gilt als Meilenstein der Zukunftsliteratur. Gerade ist die neue Verfilmung des kanadischen Regisseurs Denis Villeneuve in den Kinos angelaufen.

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