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Die Musikerin LIN über »Keine gute Geschichte« von Lisa Roy: 

»Ich mag die Sprache des Buches und wie manche Charak­tere, die sich zu viel Mühe geben, alles richtig zu machen, an der Trost­losig­keit des Ortes und der Figur auf­laufen.«

 

Vor Kurzem habe ich das Buch »Keine gute Geschichte« von Lisa Roy gelesen und es für deprimierend-gut befunden, eine Kategorie, die leider allzu oft für Bücher An­wen­dung findet, die mir ge­fallen. Die Geschichte be­glei­tet die Haupt­figur Arielle, die im prekären Essener Stadt­teil Katern­berg auf­wächst, es dort heraus­schafft und nun nach einem psycho-sozialen Zusammen­bruch in ihre Heimat­stadt zurück­kehrt, um sich auf die Suche nach ihrer vor 24 Jahren spur­los ver­schwun­de­nen Mutter zu machen. Ich mag die Sprache des Buches und wie manche Charaktere, die sich zu viel Mühe geben, alles richtig zu machen, an der Trost­losig­keit des Ortes und der Figur auf­laufen. Aber trotz der ver­meint­lichen Kälte und des äußer­lichen Des­interesses der Figur an allem, was um sie herum geschieht, schafft es die Autorin, die un­aus­sprech­liche Tiefe der Trauer und des Schmerzes um den Ver­lust der Mutter in Worte und Bilder zu fassen. Da das Buch »keine gute Geschichte« ist, hat sie auch »kein gutes Ende«, soll heißen, man lehnt sich nach dem Lesen nicht kathartisch gelöst im Lehnstuhl zurück, aber die Erzählung bewegt, und das will viel heißen!
Was ich sonst so lese? Ich habe mal Germanistik und Philosophie studiert und in einem Anflug von Größen­wahn über Musils »Mann ohne Eigen­schaf­ten« meine Examens­arbeit ge­schrie­ben. Das fand ich damals den größten Wurf der jüngeren Literatur­geschichte (ich kannte aus dem Studium aber auch fast nur weiße mittel­eu­ro­päische cis-Autoren). Mittler­weile bin ich eher an (post)migran­tischer Literatur interessiert und an Autor*innen, die nicht in oben genannte Kategorien fallen. Weil ich da viel auf­zu­holen habe und weil ich glaube, dass ich da am meisten (ver)lernen kann. Arielle fände den Satz übrigens ver­mut­lich etwas zu woke und zu gewollt, aber damit muss ich leben.

Mit ihrem Song »Fight Girl*« hat die Sängerin LIN die perfekte Hymne für die Fußball-WM der Frauen in diesem Jahr ge­schrie­ben. Eigent­lich. Aber Sie wissen ja selbst, wie das aus­ge­gan­gen ist. Dennoch bleibt der Song, bei dem wir einfach mit­wippen müssen, unser Sommer­lied 2023. Morgen er­scheint dann end­lich das ganze Album. Es heißt »Gradient«, und wir durften vorab schon mal rein­hören. Unser Hör­tipp für Sie in dieser Woche!

 

Keine gute Geschichte

von Lisa Roy (2023)

Arielle Freytag, Anfang dreißig, hat es eigent­lich ge­schafft: Auf­ge­wachsen im prekären Essener Stadt­teil Katernberg, verdient sie als Social-Media-Managerin in Düsseldorf mittler­weile viel Geld. Bis eine Depression sie aus der Bahn wirft und sie zum ersten Mal nach zwölf Jahren an den Ort ihrer Jugend zurück­kehrt. Dort werden zwei Mädchen vermisst – was Arielle an ihre Mutter erinnert, die vor 24 Jahren spur­los ver­schwand.
Für die Arbeit an ihrem Debüt­roman »Keine gute Geschichte« erhielt Lisa Roy, 1990 in Leipzig geboren, ein Stipendium der Stadt Köln und den GWK-Förder­preis Literatur.

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