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Die FDP-Politikerin Linda Teuteberg über den Essayband »Denken mit dem eigenen Kopf« von Peter Schneider:

»Manches bleibt nach der Lektüre länger in Erinnerung.«

 

Richtig begeistert hat mich zuletzt »Denken mit dem eigenen Kopf« von Peter Schneider. Dieser Band ver­sammelt Essays des mittler­weile 83 Jahre alten Schrift­stellers (»Lenz«) zum Zeit­ge­schehen aus den 30 Jahren nach dem Fall der Mauer, ergänzt um An­merkungen und Auf­zeichnungen, die Irr­tümer und Ent­wick­lungen im Denken Peter Schneiders kennt­lich machen.

Ob es gerade jetzt von aktuellem Interesse ist? Der Satz »Wer sagt, er habe sich noch nie geirrt, hat viele Gelegen­heiten verpasst, klüger zu werden« trifft den An­spruch Schneiders und dieses Bandes sehr gut. Ins­be­son­dere seit dem Beginn des Ukraine-Krieges war häufiger von Irr­tümern die Rede, selten aber ohne gleich alle Zeit­ge­nos­sen in Mit­haf­tung zu nehmen. So stellte sich nicht immer der Ein­druck eines Klüger­werdens des jeweils Irrenden ein. Das macht Peter Schneider anders und den »Bildungs­roman seines Verstandes« auch jen­seits der Aktualität der in den Essays be­han­delten Themen – Mauer­fall, Rassismus, Krieg in Europa, unser Verhält­nis zu den USA, Asyl und Migration – gerade jetzt relevant.

Manches bleibt nach der Lektüre länger in Erinnerung. »Fest­zu­halten bleibt: Hätten die Deutschen auf ihre Intellek­tuellen gehört, die Wieder­vereinigung wäre wohl nie zu­stande ge­kom­men.« So viel man dazu auch noch zitieren und sagen könnte – in unseren Zeiten vieler offener Briefe aus mehr oder weniger berufener Feder eine bemerkens­werte Fest­stellung.

Sonst lese ich sowohl aus beruf­lichen Gründen als auch auf­grund meines Interesses an Zeit­geschichte vor allem Sach­bücher. Zum Beispiel »Die verdrängte Zeit. Vom Ver­schwin­den und Ent­decken der Kultur des Ostens«. Jenseits von Ideologi­sierung einer­seits oder Ostalgie an­de­rer­seits geht der Schrift­steller und Publizist Marko Martin hier der Frage nach, weshalb die Kultur bei der Frage der deutschen Einheit nur selten eine Rolle spielt und welche Schätze es zu ent­decken und für eine gesamt­deutsche Kultur zu be­wahren gilt.

An Romanen habe ich kürz­lich den letzten von Günter de Bruyn gelesen: »Der neunzigste Geburts­tag«. Weder Roman noch Sach­buch ist Hans Magnus Enzens­bergers »Hammerstein oder Der Eigensinn« über General Kurt von Hammer­stein. Eine deutsche Geschichte in der Weimarer Republik und der Zeit des National­sozialismus und im Hin­blick auf deutsches Sonder­wegs­denken und ein besonderes Ver­hält­nis zu Russland von neuer Aktualität: »Angst ist keine Welt­anschauung.«

 

Linda Teuteberg, Jahrgang 1981, ist Brandenburgerin und seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages. Die Juristin ist in vielen Themen firm und engagiert sich immer wieder im Spannungs­feld zwischen Freiheit und gesellschaft­licher Ver­ant­wortung. Als stell­ver­tre­ten­de Vor­sitz­ende des Vereins »Gegen Vergessen – für Demokratie« setzt sie sich für die Stärkung der Demokratie und die Aus­ein­an­der­set­zung mit den national­so­zia­lis­tischen Ver­brechen und dem Un­recht des SED-Regimes ein. Sie gehört dem Bundes­vorstand der FDP seit 2011 an und war zeit­weise auch deren General­sekretärin. Besonders lesens­wert auch das ZEIT-Gespräch mit dem Alt­vorderen Gerhart Baum über den Zustand der FDP →

 

Denken mit dem eigenen Kopf

von Peter Schneider (2020)

Peter Schneider, 1940 in Lübeck als Sohn eines Diri­gen­ten und Kom­po­nis­ten ge­boren, wuchs in Freiburg auf und war einer der führenden Köpfe der Berliner Studenten­be­we­gung. Sein erster Roman »Lenz« (1973) wurde zu einem Kult­buch der Linken. Neben Romanen, Er­zäh­lun­gen und Dreh­büchern ver­fasst er Essays, über Deutschland, die De­mo­kra­tie, die Wende und, seit seinen zahl­reichen Gast­do­zen­turen in den USA, auch über Amerika.
Der Essay­band »Denken mit dem eigenen Kopf« do­ku­men­tiert Peter Schneiders jahr­zehnte­langes Nach­denken über die Wende­punkte deutscher und inter­na­tio­naler Politik sowie seinen dauer­haften Kampf gegen die Ver­such­ungen und Fallen ideo­lo­gischer Be­quem­lich­keit. Die Texte be­handeln den Mauer­fall und die Wieder­ver­ei­ni­gung, Sarajevo und die Kriege auf dem Balkan, den 11. September und den islamischen Fun­da­men­ta­lis­mus, die Finanz­krise 2008/09 sowie die Flüchtlings­krise 2015 und das Er­starken der AfD. 
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