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Professor Lothar Wieler über den Roman »Eine Frage der Chemie« von Bonnie Garmus:

»Eine mitreißend geschriebene Geschichte«

 

Wie sind Sie auf das empfohlene Buch gestoßen?

Ich war in einer Buch­hand­lung auf der Suche nach einem Buch­geschenk für eine Freundin, und da fiel mir dieses Buch in die Hände. Nachdem ich ein paar Seiten quer­ge­lesen hatte, ent­schied ich mich dafür, zwei Exemplare zu kaufen: eines für mich – und eines als Geschenk.

Können Sie sich mit einer Figur oder einem Charakter des Buchs iden­ti­fi­zieren?

Mit Elizabeth Zott, der Haupt­figur. Sie ist sehr sach­lich, gerad­linig und stand­haft – hat aber als Frau in den 1960er-Jahren keine Karriere­chance. Sie trotzt massiven Vor­ur­tei­len gegen sie als weib­liche Wissen­schaft­lerin, die sowohl in Intrigen als auch körper­liche Über­griffe durch Vor­ge­setz­te münden. So wird ihre wissen­schaft­liche Karriere sys­te­ma­tisch boy­kot­tiert. Aber Elizabeth bleibt sich treu, ver­liert weder Lebens­mut noch Humor. Im Gegen­teil, sie ins­pi­riert mit ihrer Koch­show eine ganze Ge­ne­ra­tion von Frauen. Zudem rudert sie – mein größtes Hobby, das mir auch während der Pan­de­mie eine große Stütze war.

Was bleibt nach der Lektüre hängen?

Wer in der Wissen­schaft unter­wegs ist, weiß, dass die Abhängig­keits­ver­hält­nisse ins­be­son­dere des wissen­schaft­lichen Nach­wuchses groß sind. Hier können wir gar nicht sen­si­bel genug sein. Macht­spiele sind auch heute noch an der Tages­ord­nung – auch un­ab­hän­gig vom Geschlecht. Wenn auch sehr spät in ihrem Leben, so werden Elizabeths Talent und Ehr­geiz letzt­lich durch eine ent­sprechende Leitungs­position in der Wissen­schaft an­er­kannt. So endet diese mit­reißend ge­schriebene Ge­schichte op­ti­mis­tisch.

Und was lesen Sie sonst so?

Momentan befasse ich mich vor­wiegend mit Sach­literatur zum Thema künst­liche Intelligenz, denn ich bin mehr denn je davon über­zeugt, dass KI unser täg­liches Leben zukünf­tig zu­nehmend be­ein­flus­sen wird. Hier kann ich das Buch von Helga Nowotny »In AI We Trust: Power, Illusion and Control of Predictive Algorithms« emp­feh­len. Und ich lese gerade »Ein neuer Struktur­wandel der Öffent­lich­keit und die de­li­be­ra­ti­ve Politik« von Jürgen Habermas. Nach meinen persön­lichen Er­fah­run­gen während der Covid-19-Pandemie teile ich leider seine Ein­schätzung, dass die neuen Kom­mu­ni­ka­tions­mit­tel der politischen Öffent­lich­keit zu­nehmend Schaden zu­fügen. Am liebsten lese ich aber his­to­rische Romane.

 

Vor 2020 kannten ihn Fach­ärzte und Epi­de­mi­ologen. Seit der Covid-19-Pandemie kennen ihn Millionen von Bundes­bürgern. Als Präsident des Robert Koch-Instituts beriet Lothar Wieler, Jahrgang 1961, die Bundes­regierung. Immer wieder saß der Veterinär­mediziner und Fach­tier­arzt für Mikro­bio­logie in der Bundes­presse­kon­fe­renz mit den Bundes­ministern Jens Spahn und Karl Lauterbach, um Maß­nahmen zur Ein­däm­mung des Virus zu er­läutern. Seine Rolle wurde oft kontro­vers diskutiert. Lauterbach resümierte: »Ohne Professor Wieler wäre Deutsch­land deut­lich schlechter durch diese Pandemie ge­kom­men.«
Im Früh­jahr dieses Jahres wechselte Wieler als Sprecher des Clusters Digital Health an das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam. Er ist Ehren­doktor u. a. der Uni­ver­si­tät Zürich und Mitglied des 1. FC Köln.

 

Eine Frage der Chemie

von Bonnie Garmus (2022)

Elizabeth Zott ist eine Frau mit dem un­ver­kenn­ba­ren Auf­treten eines Menschen, der nicht durch­schnitt­lich ist und es nie sein wird. Doch es ist 1961, und die Frauen tragen Hemd­blusen­kleider und treten Garten­ver­ei­nen bei. Niemand traut ihnen zu, Chemikerin zu werden. Außer Calvin Evans, dem einsamen, bril­lan­ten Nobel­preis­kan­di­da­ten, der sich aus­ge­rech­net in Elizabeths Verstand ver­liebt. Aber auch 1961 geht das Leben eigene Wege.
Der Debüt­roman »Eine Frage der Chemie« der amerika­ni­schen Schrift­stel­le­rin Bonnie Garmus ist laut Media Control das meist­ver­kauf­te Buch 2022. Im ZEIT für Literatur Podcast spricht die Autorin über ihren Roman →

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