Die Grünen-Politikerin Luise Amtsberg über die Chronik »Liebe in Zeiten des Hasses« von Florian Illies:
»Das Buch hat mich fasziniert, weil unser kulturelles Leben durch die Pandemie so stark eingeschränkt ist. Und vermutlich berührt mich der im Buch beschriebene Eskapismus der Zwanziger und Dreißiger Jahre aus diesem Grund.«
Ich habe über Weihnachten »Liebe in Zeiten des Hasses« von Florian Illies gelesen. Kein Geheimtipp, denn das Buch ist zu Recht seit Wochen ganz oben auf der Bestseller-Liste. Illies beschreibt die späten Zwanziger- und Dreißigerjahre, vornehmlich in Berlin, entlang kurzer Geschichten aus dem Leben relevanter Kulturschaffender. Man bekommt eine Idee davon, wie wild, radikal, frei und bedingungslos es damals zugegangen sein muss. Blickt man heute auf dieses Jahrzehnt, will man nicht wahrhaben, dass gerade diese Zeit kulturell blühte und gleichzeitig fast schon zwanghaft unpolitisch war. Man gewinnt den Eindruck, dass die Künstler*innen dieser Zeit den herannahenden Faschismus wegtrinken und -feiern wollten. Dass sie sich, eingeklemmt zwischen zwei Weltkriegen, mehr mit sich selbst beschäftigten. Aber vielleicht stimmt das auch gar nicht. Manch ein Werk dieser Zeit steht offensichtlich gegen diese Annahme. Illies zumindest lässt die politischen Umstände dieser Zeit weg. Das fand ich spannend.
Für mich ist dieses Buch gerade auch aktuell. Es hat mich fasziniert, weil unser kulturelles Leben durch die Pandemie so stark eingeschränkt ist. Und vermutlich berührt mich der im Buch beschriebene Eskapismus der Zwanziger- und Dreißigerjahre aus diesem Grund.
Was nach der Lektüre hängen bleibt: Eine Literatur- und Filmliste, die mich wahrscheinlich auch ein Jahrzehnt beschäftigt hält. Ich will jetzt unbedingt alle Marlene Dietrich-Filme sehen, »Leb wohl, Berlin…« von Christopher Isherwood lesen, mehr Bauhaus, Tamara de Lempicka und Art déco erleben. Florian Illies untertitelt sein Buch mit »Chronik eines Gefühls 1929-1939«. Und genau so muss man dieses Buch auch verstehen. Es ist eine Chronik mit kurzen Anekdoten aus dem Leben von Kulturschaffenden und politischen Personen. Es soll Lust auf mehr und neugierig auf das kreative Schaffen der Menschen dieser Zeit machen.
Was ich sonst so lese? Beruflich muss ich viel Fachliteratur lesen. Fakten sammeln, Wissen aufbauen. Im Privaten ertrage ich keine Sachbücher, um ehrlich zu sein. Ich liebe Romane, die mir politische Ereignisse, die Geschichte einzelner Personen oder Länder nahebringen und mich emotional erreichen. Eugen Ruge hat mit »In Zeiten des abnehmenden Lichts« dafür gesorgt, dass ich mich noch intensiver mit meiner eigenen Familiengeschichte auseinandersetze. Und Nino Haratischwili hat mit »Das achte Leben« meine Neugier auf Georgien geweckt. (Dank dieses Generationenromans bin ich erstmals nachts aufgewacht, weil ich unbedingt weiterlesen musste.) Derzeit lese ich »Das Flüstern der Feigenbäume« von Elif Shafak, eine Liebesgeschichte kurz vor Ausbruch des Zypernkonflikts 1975. Und auf dem Stapel liegt noch »Pflaumenregen«, ein Roman von Stephan Thome über das Ende der japanischen Kolonialzeit in Taiwan in den 1940ern.
Anfang Januar hat das Bundeskabinett Luise Amtsberg, Jahrgang 1984, zur Menschenrechtsbeauftragten ernannt. Seit 2013 sitzt die Grünen-Politikerin als Abgeordnete im Bundestag und wurde flüchtlingspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Bei der humanitären Hilfe möchte Amtsberg dafür sorgen, »dass Deutschland sein weltpolitisches Engagement ausbaut und damit der Häufung von Krisen und Konflikten Rechnung trägt«. Dem Schutz von Kindern und Frauen gilt dabei ihr besonderes Augenmerk. Das Studium der Islamwissenschaft, Politik und evangelischer Theologie hat Amtsberg abgeschlossen mit einer Magisterarbeit unter dem Titel »Feminismus im Islam am Beispiel der palästinensischen Frauenbewegung«.