© privat

Journalist und Filmemacher Manuel Möglich über die Graphic Novel »Berlin« von Jason Lutes:

»Vor ›Berlin‹ hätte ich es für unmöglich gehalten, dass mich eine Graphic Novel so fesseln kann.«

 

Wie sind Sie auf das Buch gekommen?
Ans Herz gelegt hat mir »Berlin« meine Freundin.

Was macht das Buch für Sie gerade jetzt aktuell?
Diese eigenartige Zeit, in der wir leben und ein Erstarken der Rechten.

Wen würden Sie vor dem Buch warnen und warum?
Wirklich alle, die entspannt im Bett oder auf dem Sofa lesen. Dieses Buch wiegt mehr als
zwei Kilo und ist im Liegen für den Bizeps eine enorme Herausforderung.

Was bleibt nach dem Lesen?
Ein beklemmendes Gefühl, denn mit dem Niedergang der Weimarer Republik und der
nahtlosen Machtübernahme der Nationalsozialisten endet das Buch. Aber natürlich nicht die Geschichte. Wie die sich nach 1933 entwickelt hat, ist bekannt. Und genau dieses Wissen um den drohenden und immer näher kommenden Untergang schwingt permanent beim Lesen mit.

Haben Sie beim Lesen des Buches etwas neues (über sich) gelernt?
Comics sind nicht so profan wie ich gerne dachte. Vor »Berlin« hätte ich es für unmöglich
gehalten, dass mich eine Graphic Novel so fesseln kann.

Und was lesen Sie sonst so?
Zu viele E-Mails, natürlich Die ZEIT, sehr gerne das Dummy Magazin, den 11 Freunde
Liveticker, Werbeplakate, sogar Kochrezepte und selbstverständlich Bücher (nur haptisch).

 

Manuel Möglich über das Buch:

Wenn Sie sich für Graphic Novels interessieren, müssen Sie diesen Text nicht weiterlesen. Sie würden nämlich nur ein wunderbares Buch empfohlen bekommen, das Sie längst kennen und von dem Sie ja schon wissen, wie gut es ist. Wenn Sie sich nicht für Graphic Novels interessieren – so ein Typ bin eigentlich ich –, lassen Sie sich diese phänomenale Lektüre nicht entgehen. Vertrauen Sie mir, »Berlin« von Jason Lutes hat es in sich. 23 Jahre hat der amerikanische Autor an diesem Comic-Epos über den Untergang der Weimarer Republik und das Erstarken der National­sozialisten gearbeitet. Obwohl er die Stadt nie besucht haben soll und die späten 1920er-Jahre auch nicht miterleben konnte, gelingt Lutes mit seiner Trilogie-Gesamtausgabe »Berlin« wirklich etwas ganz Besonderes. Es ist großartig gezeichnet, detailverliebt, aber dabei nicht verspielt oder überladen. Und es ist unfassbar gut recherchiert. Ein Comic-Roman, aber gleichwohl auch ein irre lebendiges Geschichts­buch. In nicht wenigen Rezension ist von einem Meisterwerk oder Klassiker die Rede. Mich schreckt so was oft ab. Die Erwartungshaltung schraubt sich bei mir gerne ins Unermessliche, und ein durchaus solides Buch bleibt am Ende nur als okay in Erinnerung. Weil ich mich recht nüchtern an »Berlin» herangewagt habe – von meinen Vorbehalten gegenüber Graphic Novels habe ich eingangs erzählt – und zudem nach »Babylon Berlin« von den Goldenen Zwanzigern für den Moment genug hatte, war ich nach den mehr als 500 Seiten erst mal: beeindruckt. Danach froh, nicht in der von Jason Lutes beschriebenen Epoche zu leben. Und dann beunruhigt, weil die Lektüre gerade heute so verdammt aktuell ist.

Manuel Möglich ist Journalist, Filmemacher, Produzent, Autor und nun auch Podcaster. Denn seine gleichnamige TV-Serie »Wild Germany« (erst ZDFneo, später bei Netflix) gibt es jetzt als Spotify-Original-Podcast. Darin berichtet Manuel Möglich jeden Mittwoch über Themen vom Rand der Gesellschaft. Es geht um sexuellen Missbrauch, Rechtsradikalisierung oder Chemsex. Im Podcast redet Manuel nicht über die Betroffenen, sondern mit ihnen. Und nimmt uns dabei mit auf eine wilde Reise durchs Land, die uns aus unserer Komfortzone herausholt. Reinhören lohnt sich! Und wer seine Reportagen lieber lesen als hören möchte, dem empfehlen wir »Deutschland überall« oder »Alles auf Anfang« – beide im Rowohlt Verlag erschienen.

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