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Der Musiker und Schauspieler Manuel Rubey über das Lesen und seine Buchempfehlungen:

»Gute Literatur lässt uns das Menschliche ein wenig besser verstehen, und daher halte ich Lesen für wesentlich in jedem kreativen Beruf.«

 

Das gewaltigste Buch der vergangenen Jahre war, obschon ich damit nicht viel Neues erzähle, »Ein wenig Leben« von Hanya Yanagihara. Es ging mir damit so wie zuletzt als Teenager, der gerade die Freude am Lesen entdeckt und völlig maßlos wird, lesend gegen Straßenlaternen läuft und sich den Wecker stellt, weil man immer weiterlesen will, obschon es kaum zu ertragen ist. Aber gute Literatur lässt uns das Menschliche ein wenig besser verstehen, und daher halte ich Lesen für wesentlich in jedem kreativen Beruf.
Zu der Frage, was ich in letzter Zeit so gelesen habe: »Der Gesang der Fledermäuse« fällt mir gleich ein, von Olga Tokarczuk, der polnischen Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin. Ein Roman, der in keine Schublade passt – Komödie, politischer Essay oder Thriller. Es geht um eine leicht schrullige Heldin, die die Gesellschaft von Tieren jener der Menschen vorzieht. »Alles schien mir durchsetzt mit ungeheurer Traurigkeit, unerträglich, und mir war klar, dass Traurigkeit ein wichtiges Wort bei der Definition der Welt war. Sie liegt allem zugrunde, sie ist das fünfte Element, die Quintessenz.« Den Gedanken, dass die Tiere Rache nehmen für die Verfehlungen der Menschen, fand ich großartig.
Zwischendurch greife ich immer wieder zu Mascha Kalekos Gedichten, wie diesem: »Man braucht nur eine Insel / allein im weiten Meer / man braucht nur einen Menschen / den aber braucht man sehr.«
Alles, wirklich alles gelesen habe ich von Frank Berzbach, dem Psychologen, Autor und Illustrator, der gerade wieder ein Buch am Start hat: »Die Kunst zu lesen«. Daraus habe ich mir notiert: »Etwas in Buchform in der Hand zu halten, gibt dem Geschilderten eine gewisse Autorität, vielleicht sogar Existenz­berechtigung. Das Erzählte holt die Ereignisse ans Licht. Und ein ferner, vielleicht verstorbener Geist flüstert einem zu: Du bist nicht allein, ich habe es nicht umsonst durchlitten, sondern ich erzähle davon.«
Zuletzt habe ich von der Irin Emilie Pine »Botschaften an mich selbst« gelesen. Ich habe es bereits sieben Mal weitergeschenkt, das ist meistens ein gutes Zeichen. So ein grauenvoll-wundervolles, schonungsloses, feministisches, liebendes Werk. Ich zitiere daraus: »Entscheidungen treffen. Macht es, oder macht es nicht, aber verliert euch nicht im Schwebe­zustand des Vielleicht. Eine Entscheidung zu treffen macht einen wieder handlungsfähig.« Und »Ich habe mich entschieden, glücklich zu sein. Dieses Glück ist nicht voll­kommen oder schmerzfrei. Es liegt eine Trauer darin. Und es ist dadurch noch stärker.«
Damit es aber nicht zu traurig wird, noch eine Empfehlung, die den Schrecknissen des Weltgeschehens ein bisschen etwas entgegen­setzen kann: »Im Grunde gut« von Rutger Bregman, dem niederländischen Autor und Historiker. »Letztlich gibt es nur wenige Vorstellungen, die die Welt so sehr beeinflussen wie unser Menschen­bild. Was wir voneinander annehmen, ist das, was wir hervorrufen. Wenn wir über die größten Herausforderungen unserer Zeit sprechen – von der globalen Erd­erwärmung bis zum schwindenden gegenseitigen Vertrauen –, glaube ich, dass deren erfolgreiche Bewältigung mit der Entwicklung eines anderen Menschen­bildes beginnt.«

Manuel Rubey, Jahrgang 1979, ist mit so viel­seitigen Gaben und Interessen ausgestattet, dass es für mehrere Karrieren gereicht hat. Ob als Musiker (Familie Lässig), Schau­spieler oder Kabarettist – er gilt als Österreichs Publikums­liebling par excellence. Schlagartig bekannt wurde er, als er im Film »Falco – verdammt, wir leben noch« die Titel­rolle spielte. 2020 trat er mit dem Solo­programm »Gold­fisch« auf, im gleichen Jahr erschien sein Buch »Einmal noch schlafen, dann ist morgen«. Rubey unterstützt diverse Aktionen gegen Rechtsextremismus und gehörte 2016 zum Komitee der Präsidentschafts­kandidatur von Alexander Van der Bellen. Er ist außerdem in der ARD-Miniserie »Die Glücksspieler« als Versicherungs­mathematiker Jasper zu sehen. Jetzt erscheint sein Buch »Der will nur spielen«.

 

Gesang der Fledermäuse

von Olga Tokarczuk (2009)

Vor über dreißig Jahren debütierte die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk mit einem Gedichtband. Inzwischen ist sie Literaturnobelpreisträgerin, und ihre Romane, Erzählungen und Essays wurden in vierzig Sprachen übersetzt. Ihr philosophischer Kriminalroman  »Der Gesang der Fledermäuse« verbindet Humor mit Zivilisationskritik.

Neben diesem Titel empfiehlt der Musiker und Schauspieler Manuel Rubey auch noch diese Werke:

♦ Den Roman »Ein wenig Leben« von Hanya Yanagihara. Zur ZEIT-Rezension →

♦ Den Gedichtband »Wir haben keine andere Zeit als diese. Gedichte über das Leben« von der Lyrikerin Mascha Kaleko

♦ Alles von dem Autor Frank Berzbach. Er schreibt über Kreativität, Arbeitspsychologie, Religion und Spiritualität, Achtsamkeit, Literatur, Popmusik, Popkultur und Mode. Neu von ihm erschienen: »Die Kunst zu lesen«.

♦ Die Essaysammlung »Botschaften an mich selbst« von der Irin Emilie Pine, die international euphorisch gefeiert wurde.

♦ Das Sachbuch »Im Grunde gut. Eine neue Geschichte der Menschheit« von Rutger Bregman, das hier in der Community auch schon Bestseller-Autorin und Expertin für digitale Bildung, Verena Pausder, empfohlen hat. Lesen Sie hier ihren Empfehlungstext →

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