Marlehn Thieme, Präsidentin der Deutschen Welthungerhilfe, über »Geschichte der Völkerwanderung« des Tübinger Professors Mischa Meier:
»Das Besondere dieses Buches sehe ich darin, dass die mir in Latein- und Geschichtsstunden vermittelte römische Zentrierung der Geschichtsbetrachtung bewusst vielfältiger angelegt wird.«
Dies ist kein Buch für schnelle Leser, denn 1100 Seiten brauchen Entschleunigung des Lebens, sonst geraten die Herrscher und die Stämme schnell durcheinander … also eine ideale Ferienlektüre!
Das Besondere dieses Buches sehe ich darin, dass die mir in Latein- und Geschichtsstunden vermittelte römische Zentrierung der Geschichtsbetrachtung bewusst vielfältiger angelegt wird. Das Wort Völkerwanderung bekommt auf diese Weise eine neue Dimension, die durchaus auch Parallelen zu heutigen Themen wie Migration und Integration provoziert, aber auch zu biblischen Erzählungen über Wanderschaft, Flucht und Vertreibung vor Christi Geburt.
Nicht zu empfehlen ist das Buch Menschen, die es ganz genau wissen und Fakten eindeutig ausdeuten wollen, die nur ein Narrativ gelten lassen wollen. Ebenso sollten sich Menschen, für die Mehrdeutigkeit quälend ist, und natürlich diejenigen, die Identifikationsfiguren brauchen, um Geschichte zu erfassen, eine andere Lektüre suchen.
In meinen Koffer packe ich jetzt außerdem »Noise« des Nobelpreisträgers Daniel Kahneman und »Deutschland – Globalgeschichte einer Nation« des Historikers Andreas Fahrmeir.
Kürzlich stand sie im Rampenlicht – etwas, das Marlehn Thieme eher wenig schätzt. Als Vorsitzende des ZDF-Fernsehrats hatte sie die Wahl des neuen Intendanten zu organisieren, und es blieb spannend bis zum Schluss, als Norbert Himmler als Nachfolger von Thomas Bellut feststand. Bis 2013 arbeitete die Juristin in verschiedenen Führungsposten der Deutschen Bank, auch als Aufsichtsrätin. Bekannt ist sie für ihr hartnäckiges Verhandlungsgeschick in unterschiedlichen Funktionen: als Mitglied des Rats der Evangelischen Kirche oder auch im Rat für Nachhaltige Entwicklung. Ein ganz neues Gebiet hat sie sich erschlossen, nachdem sie 2018 zur Präsidentin der Deutschen Welthungerhilfe gewählt wurde. Klimawandel und Covid-19 stellen die Organisation vor enorme Herausforderungen. Jetzt, in der Urlaubszeit, findet sie endlich Zeit für jüngst erschienene, voluminöse Werke.