ZEIT Campus-Chefredakteurin Martina Kix über die Essaysammlung »Trick Mirror« von Jia Tolentino:
»Nach der Lektüre von ›Trick Mirror‹ habe ich selbst besser verstanden, wer ich im Internet bin.«
»Trick Mirror« habe ich zweimal entdeckt: Zuerst am letzten Tag eines Roadtrips durch die USA, im wohl schönsten Buchladen der Welt, der Elliott Bay Book Company in Seattle. Es lag auf einem Tisch mit Empfehlungen der Mitarbeiter:innen: »These lucid and astoundingly perceptive essays feel like guiding lights, cutting through modern life’s delusions and contradictions but offering no easy conclusions.« Lichter, die die Widersprüche unseres Lebens durchschneiden. Ich war begeistert. Zurück in Hamburg strahlte das gelbe Buch dann ehrlicherweise monatelang ungelesen neben meinem Bett. Bis es dann auf Insta, in den Storys meiner Freund:innen auftauchte. Und das hätte kaum passender sein können, denn in »Trick Mirror« geht es vor allem um das Internet.
In ihren Essays verhandelt Jia Tolentino, die regelmäßig für den »New Yorker« schreibt, nicht weniger als das Gefühl einer Generation, die mit der Selbstinszenierung im Internet aufgewachsen ist. Sie selbst sagt dazu: »Nun bin ich dreißig, und ein Großteil meines Lebens lässt sich nicht mehr trennen vom Internet und seinem Wirrwarr unablässigen erzwungenen Verbundenseins – dieser fieberhaften elektronischen, unerträglichen Hölle.« Die »Washington Post« nannte sie deshalb »Susan Sontag der Millennials« und »Vulture« die »Joan Didion unserer Zeit«. Ich würde sagen, sie ist die Kim Kardashian der intellektuellen Influencer. Statt Make-up hat sie Gedanken und Analysen im Angebot, um all das, was wir posten, liken oder sharen zu begreifen und zu kritisieren. Ich würde so weit gehen, zu sagen: Nach der Lektüre von »Trick Mirror« habe ich selbst besser verstanden, wer ich im Internet bin.
Martina Kix hat ihren ersten Artikel über einen Kaninchenzüchterverein geschrieben, obwohl sie gegen Tierhaare allergisch ist. Heute ist sie Chefredakteurin unseres Studierendenmagazins ZEIT Campus und hat immer ein Antiallergikum in der Tasche. Mit ihren Kolleginnen und Kollegen ist Martina nah an der Lebenswelt der Studierenden und schreibt über die Themen, für die sie kämpfen und mit denen sie hadern. Das kann mal das Klima und mal Dating sein.