Der Schriftsteller und Schauspieler Matthias Brandt über »Pnin« von Vladimir Nabokov:
»Große Autoren bringen Gedanken und Gefühle zu Papier, die auch meine sind, die ich aber so nicht ausdrücken kann.«
Welches Buch hat Sie kürzlich begeistert?
Immer wieder lese ich »Pnin« von Vladimir Nabokov. Es ist einer meiner absoluten Lieblingsromane. Er handelt von einem Collegeprofessor russischer Abstammung in Amerika Mitte des 20. Jahrhunderts – eine der zugleich lustigsten wie traurigsten Figuren in der Literatur überhaupt. Vor einigen Jahren machte der großartige Roman »Stoner« von John Williams Furore, der in einem ähnlichen Milieu spielt. Er war lange vergessen und ist erst nach Jahrzehnten als das Meisterwerk erkannt worden, das er ist. Ich glaube, »Stoner« ist gigantisch, aber »Pnin« ist noch besser.
Was macht dieses Buch für Sie gerade jetzt aktuell?
Ich finde, gute Literatur ist immer aktuell, egal, wann sie geschrieben wurde. Weil sie von uns selbst erzählt, unsere Gedanken bereichert und uns dazu bringt, uns die richtigen Fragen zu stellen. Und zwar in einem universellen Sinn, also nicht aktualitäts- oder situationsgebunden. Große Autoren bringen Gedanken und Gefühle zu Papier, die auch meine sind, die ich aber so nicht ausdrücken kann. Sie machen das für mich, für uns. Aber der vermeintlich aktuelle, also zum Beispiel der uns garantiert bald ins Haus stehende Corona-Roman ist dann eben auch ganz schnell nicht mehr aktuell.
Wen würden Sie vor dem Buch warnen und warum?
Für Zwölfjährige ist »Pnin« wahrscheinlich nicht ganz so interessant. Obwohl ich ein großer Freund der kalkulierten Überforderung bin. Und es soll ja Leute geben, die keine Ironie verstehen. Für die dürfte es auch eher schwierig werden. Das Buch hat einen unfassbar tollen Humor, durchaus bösartig. Als kleines Beispiel hier der sehr schöne Anfangssatz des zweiten Kapitels: »Zwei interessante Merkmale zeichneten Leonard Blorenge aus, den Leiter Französischer Literatur und Sprache; er hatte etwas gegen Literatur, und er konnte kein Französisch.«
Und was lesen Sie sonst so?
Ich bin schon ziemlich auf die angelsächsische, besonders die amerikanische Literatur der letzten hundert Jahre fixiert, merke ich. Ich versuche immer wieder, dem entgegenzuarbeiten, aber es ist einfach das, was ich am liebsten mag, was soll ich machen? Am Theater haben mich drei Autoren besonders begeistert, Shakespeare, Kleist und Tschechow. Tschechow ist für mich eh der Größte. Wenn ich einen einzigen Schriftsteller nennen sollte, dann wäre es er.
Der Schauspieler Matthias Brandt hat sich dem breiten Publikum vor allem in seiner Rolle als Hanns von Meuffels in »Polizeiruf 110« eingeprägt. 2016 debütierte er als Schriftsteller mit seinem Buch »Raumpatrouille«, das zum Bestseller wurde, gefolgt von seinem Romandebüt »Blackbird« (2019).