Die Autorin und Journalistin Mona Ameziane über den Roman »Der Hausmann« von Wlada Kolosowa:
»Wlada Kolosowa beweist, wie sicher sie mit diversen Erzählformen und gesellschaftlichen Themen jonglieren kann, ohne eines der vielen Elemente zu Boden fallen zu lassen.«
Ich liebe es, wenn Autor*innen mutig sind und mich einfangen mit etwas, das anders ist – und deshalb so gut. Seit über fünf Jahren moderiere ich jeden Sonntagabend die Büchersendung »Stories« beim WDR-Radiosender 1LIVE und lese dafür vier bis sechs Romane pro Monat. In dieser Zeit habe ich so viele gute, faszinierende, schöne, traurige und beeindruckende Geschichten gelesen, dass ich längst nicht mehr sagen kann, welche davon ich am liebsten mochte. DAS eine Lieblingsbuch gibt es für mich schlicht und einfach nicht und ich habe mich damit abgefunden. Was mir hingegen leichtfällt: die Bücher aufzuzählen, die mich am meisten überrascht haben.
Dazu gehört aktuell auch »Der Hausmann« von Wlada Kolosowa. Schon im Jahr 2018 hat mich ihr Debüt »Fliegende Hunde« begeistert, in dem es um die Freundschaft von zwei jungen Frauen geht, die in einem Vorort von St. Petersburg aufwachsen. Ich mochte die Art, mit der die Autorin erzählt, ganz klar und an den richtigen Stellen verspielt, inhaltlich relevant und äußerlich unterhaltend. All das gilt auch für ihr neues Buch. Was hier allerdings hinzukommt, ist die Tatsache, dass Wlada Kolosowa beweist, wie sicher sie mit diversen Erzählformen und gesellschaftlichen Themen jonglieren kann, ohne eines der vielen Elemente zu Boden fallen zu lassen.
In der Geschichte geht es um Geschlechterrollen, Beziehungsmodelle, Integration, Arbeitsethik und die Frage, was für einen Stellenwert Geld in unserer Gesellschaft und in einer Beziehung hat. Exemplarisch für Letzteres stehen Tim und Thea, ein junges Paar, bei dem sie das Geld verdient und er den Haushalt macht. Das funktioniert gut, bis die beiden in ein Mietshaus am Stadtrand ziehen müssen und Thea anfängt, für ein Start-up zu arbeiten, das veganes Hundefutter vertreibt. Während sie langsam, aber sicher in mehr als unethischen (aber hippen) Arbeitsstrukturen versinkt, putzt Tim die Wohnung und arbeitet (mal mehr, mal weniger erfolgreich) an einem Comic über die Klimakrise. Außerdem hilft er Maxim, einem Geflüchteten aus der Ostukraine, beim Lernen von deutscher Grammatik und repariert Frau Birkenbergs Computer in der Nachbarwohnung. All diese Figuren lernen wir beim Lesen genauer kennen, über Chat-Verläufe, Tagebucheinträge und Blogposts. Außerdem wird der Text immer wieder von einer echten Graphic Novel unterbrochen, was zumindest in meinem Bücherregal ein Unikum ist.
Den meisten Buchfans muss man Mona Ameziane vermutlich nicht vorstellen. Neben anderen Radio- und Fernsehformaten moderiert Mona seit 2017 die Büchersendung »Stories« bei 1LIVE. Außerdem ein Muss für Alle, die auf Social Media nach persönlichen und klugen Buchempfehlungen suchen: Monas Instagram-Account.Und Mona ist auch selbst Buchautorin. Vergangenen Herbst brachte sie ihr Debüt raus. In »Auf Basidis Dach« schreibt sie darüber, was Zuhause für sie bedeutet: der Norden des Ruhrgebiets, aber auch der Norden Marokkos.