Die Musikerin und Autorin Judith Holofernes über das Memoir »Tränen im Asia-Markt« von der Sängerin Michelle Zauner:
»Um den Tod ihrer Mutter zu verarbeiten, schreibt Michelle Zauner über eine Liebe, die durch den Magen ging – zum Beispiel in Gestalt von lebenden Oktopussen.«
Wie sind Sie auf das Buch gekommen?
Ich höre viele Podcasts, in denen es ums Memoir-Schreiben geht. Auf Michelle Zauner, die Sängerin der Indieband »Japanese Breakfast«, bin ich im »Broken Record«-Podcast von Rick Rubin und Malcolm Gladwell gestoßen.
Was macht das Buch für Sie gerade jetzt aktuell?
Ich finde das Buch zeitlos, aber ich lese gerne Bücher von Autorinnen mit einem kulturellen Hintergrund, über den ich noch nicht so viel weiß – in diesem Fall Korea und die koreanische Diaspora in Amerika.
Wen würden Sie vor dem Buch warnen und warum?
Leute, die nichts von lebendig verspeisten Oktopussen wissen wollen. Und von Krebs.
Was bleibt nach dem Lesen?
Eine Ahnung von einem Einblick in die koreanische Kultur. Und neue Inspiration, weiter mein Memoir zu schreiben, weil das Genre mir selbst so viel bedeutet.
Haben Sie beim Lesen des Buches etwas Neues über sich gelernt?
Dass ich froh bin, dass ich selbst meiner Mutter meine Liebe nur über das Essen von Spaghetti mit Ketchup beweisen musste.
Wenn Sie mit einem Charakter aus dem Buch tauschen könnten, welcher wäre das und warum?
Schwierig, weil Michelle ihre Mutter verloren hat, was ich bitte erst mal nicht erleben möchte. Aber sonst, ganz klar, Michelle. Weil die neben dem tollen Schreiben auch noch tolle Musik macht.
Wo lesen Sie am liebsten und warum?
Überall! Hörbücher höre ich viel beim Spazieren mit dem Hund, lesen am liebsten auf dem Balkon oder in meiner Hängeschaukel.
Und was lesen Sie sonst so?
Im Urlaub habe ich gerade »Fun Home« von Alison Bechdel gelesen, auch ein Memoir, aber als Graphic Novel. So ein schönes Buch! Traurig, fesselnd, sehr lustig, wahnsinnig rührend. Sie schreibt über ihre Kindheit und die verkorkste Beziehung zu ihrem Inneneinrichtungs-besessenen, Beerdigungsinstituts-führenden, gefühlskalten Vater, der nebenher mit den männlichen Babysittern schläft. Und über ihr eigenes Coming-Out als junge Erwachsene.
Judith Holofornes dürfte den meisten von Ihnen vor allem als Sängerin bekannt sein. Mit der Band »Wir sind Helden«, dann als Solokünstlerin wurde sie vor knapp zwanzig Jahren zur Stimme einer Generation. Ihre Liedtexte waren immer schon witzig, politisch und feinsinnig. Das lässt viel erwarten von ihrem autobiografisches Buch, das heute rauskommt. In »Die Träume anderer Leute« blickt sie zurück auf die Zeit nach den großen Banderfolgen, auf die Musikbranche, auf Krisen und auf eine einschneidende Entscheidung. Besonders ans Herz legen möchten wir Ihnen auch das Interview auf ZEIT ONLINE aus dem vergangenen Jahr, in dem Judith Holofernes sehr klug über die Liebe zum Schmerz, die Gefahr von Meditation und Toxic Positivity spricht.