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Der SPD-Politiker Peer Steinbrück über die Chronik »Februar 1933 – Der Winter der Literatur« von dem Autor und Literaturkritiker Uwe Wittstock:

»Das Buch erinnert daran, worauf die Unterwerfung der Freiheit des Wortes, von Kunst und Kultur sowie Lehre und Wissenschaft unter ideologische oder auch »nur« die Imperative einer identitären Politik und politischen Korrektheit für eine demokratisch und liberal verfasste Gesellschaft hinausläuft.«

 

Weniger begeistert als tatsächlich gefesselt hat mich Uwe Wittstocks Buch »Februar 1933 – Der Winter der Literatur«, das den kulturellen und intellektuellen Aderlass beschreibt – diese ungeheure Selbstbeschädigung Deutschlands, die sich durch die Vertreibung der Juden und die Schoah noch potenzierte. Nebenbei wird deutlich, in welcher Geschwindigkeit die totale Machtergreifung der Nationalsozialisten stattfand. Bereits im frühen Sommer 1933 waren Parteien, Gewerkschaften, Medien und der Kultur­bereich gleichgeschaltet und die Wirtschaftsführer auf Linie gebracht.

Das Buch ist nicht aktuell im Sinn einer historischen Analogie. Aber es erinnert daran, worauf die Unterwerfung der Freiheit des Wortes, von Kunst und Kultur sowie Lehre und Wissenschaft unter ideologische oder auch »nur« die Imperative einer identitären Politik und politischen Korrektheit für eine demokratisch und liberal verfasste Gesellschaft hinausläuft.

Es bleibt die Verpflichtung von Politik, Medien, Zivilgesellschaft, Universitäten und des Kultur­bereiches selbst, sich jedwedem Versuch einer Zensur von Kunst und Kultur, Lehre und Wissenschaft entgegenzustellen und jeden Anspruch einzelner Gruppen, darüber zu bestimmen, was gesagt, gelehrt, gezeigt, geschrieben oder ausgestellt werden darf, zurückzuweisen.

Weitere Lektüre: Stephan Malinowskis »Die Hohenzollern und die Nazis« habe ich in zwei Tagen gelesen. Es beschreibt die Kollaboration dieses Hochadels in seiner zutiefst antirepublikanischen und antidemokratischen Grundhaltung mit der Nazibewegung und ist vor dem Hintergrund von Restitutionsansprüchen des Hauses Hohenzollern nicht nur aus juristischen Gründen hochaktuell. Darüber hinaus verweist es die andauernde Legendenbildung, dass dieses Haus mit dem Aufstieg der Nazis rein gar nichts zu tun hatte, auf den Müll der Geschichte. Für Liebhaber von Thrillern empfehle ich Susanne Saygins »Crash« und alle neu herausgegebenen und endlich vollständig übersetzten Bücher von Ross Thomas.

 

Wer unter den etwas älteren Menschen hätte vergessen, wie Peer Steinbrück als Bundes­finanzminister im Oktober 2008, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, neben Bundeskanzlerin Angela Merkel stand, um den Bundesbürgern zu versichern, ihre Spareinlagen seien sicher…? Und es funktionierte. Zuvor hatte der gebürtige Hamburger als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen gewirkt, 2013 trat er als Spitzenkandidat der SPD gegen die amtierende Kanzlerin an – unvergessen ebenso, wie er »Beinfreiheit« für diese Aufgabe einforderte. Sein Bundestagsmandat hat er 2016 aufgegeben. Als Vorsitzender des Kuratoriums der Bundeskanzler Helmut Schmidt Stiftung begrüßte er kürzlich Sviatlana Tsikhanouskaya, die belarussische Oppositionsführerin, als Rednerin der ersten Helmut Schmidt Lecture und nannte sie »eine der inspirierendsten globalen Stimmen für die Demokratie«.

 

Februar 1933 – Der Winter der Literatur

Von Uwe Wittstock (2021)

Der Literaturkritiker und Autor Uwe Wittstock, 1955 in Leipzig geboren, war von 1980 bis 1989 unter der Ägide von Marcel Reich-Ranicki Literaturredakteur der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. In der Chronik »Februar 1933 – Der Winter der Literatur« erzählt er von dem rasanten Absturz der Demokratie im Februar 1933 – aus der wechselnden Sicht prominenter Autoren und Autorinnen. In dem Monat entschied sich auch für die Schriftsteller in Deutschland alles. Von Tag zu Tag verfolgt Wittstock, wie das glanzvolle literarische Leben der Weimarer Zeit in wenigen Wochen einem langen Winter wich und sich das Netz für Thomas Mann und Bertolt Brecht, für Else Lasker-Schüler, Alfred Döblin und viele andere immer fester zuzog. Auf der Grundlage von teils unveröffentlichtem Archivmaterial entsteht ein dichtes Bild dieser ungeheuren Zeit. Uwe Wittstock beschreibt Tage der Angst und Selbsttäuschung, der Passivität und Entschlossenheit unter den Schriftstellern. Wer arrangiert sich mit den neuen Machthabern, wer muss um sein Leben fürchten und fliehen?

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