Die »heute«-Moderatorin Petra Gerster über den Roman »Die Marschallin« der Zürcher Schriftstellerin Zora del Buono:

»Die Geschichte wird mit vielen interessanten Figuren in einem großen Spannungsbogen erzählt, ohne Pathos oder Sentimentalität, dafür aber mit einem unterschwelligen Humor, der für die Menschenliebe der Autorin spricht.« 

 

Mit Begeisterung habe ich vor Kurzem »Die Marschallin« gelesen, von Zora del Buono, einer Schweizer Schriftstellerin, die in Berlin und Zürich lebt. Ihren letzten Roman »Hinter Büschen, an eine Hauswand gelehnt« über die Liebe zwischen einer Professorin und ihrem Studenten fand ich schon klasse und war daher gespannt auf das neue Werk über die Großmutter, die denselben Namen wie die Autorin trägt: eine nicht durchgängig sympathische, aber sehr eindrucksvolle Persönlichkeit. »Großzügig. Starrsinnig. Oder auch herrisch«, sagt die Autorin über sie. (Kleine Anmerkung am Rande: Die gegenwärtige Zora del Buono wirkt auf Fotos nicht nur interessant, klug und sympathisch, sondern punktet überdies mit einem ebenbürtig wirkenden Begleiter, Hund Mika. Er sieht auf jedem Foto so aus, als wüsste er dies.)

Direkt aktuell ist der Roman über das Leben der Großmutter nicht. Nur insofern, als er die tragische Geschichte des europäischen 20. Jahrhunderts neu erzählt, aus einer anderen Perspektive als der uns vertrauten. Und uns so neue Einsichten gewährt. Im Schicksal der großbürgerlichen Familie der Marschallin, die so heißt, weil sie das Regiment führt, spiegelt sich der ganze Wahnsinn von Faschismus und Kommunismus und zwei mörderischen Weltkriegen. Die Slowenin Zora ist überzeugte Kommunistin und führt mit ihrem italienischen Mann Pietro del Buono – ebenfalls Kommunist – ein ebenso politisches wie intellektuelles Leben im italienischen Bari. Sie kämpfen gegen Mussolini und die Faschisten und für Tito und die Kommunisten – blind für die Gewalt und die Ungerechtigkeiten, die auch dort, auf der Seite der vermeintlich Guten, herrschen. Schließlich enden alle Illusionen über einen gerechteren Sozialismus in einem tristen Pflegeheim in Nova Gorica jenseits des Eisernen Vorhangs, wo die Marschallin ihre Tage beschließt. Das alles wird mit vielen interessanten Figuren in einem großen Spannungsbogen erzählt, ohne Pathos oder Sentimentalität, dafür aber mit einem unterschwelligen Humor, der für die Menschenliebe der Autorin spricht.

Ansonsten lese ich zurzeit das Buch »Mädchen, Frau etc.« von Bernadine Evaristo, das mich fasziniert, weil es die Diskussion unserer Gegenwart über Gender und Identitäten aus Sicht einer schwarzen Theaterfrau in London erzählerisch auf den Punkt bringt. Im Übrigen bin ich Fan des Schriftstellers Andreas Maier, von dem ich, seit ich ihn vor anderthalb Jahren entdeckt habe, nach und nach alles lese. Am liebsten aber die – glücklicherweise – noch nicht vollendete Roman-Reihe »Ortsumgehung«, die Geschichte seiner Herkunft in der Wetterau«. Abgründig und komisch. Genial.

Petra Gerster, Buchautorin und Journalistin, moderiert seit 1998 die »heute«-Nachrichten im ZDF, viele Jahre lang war sie außerdem das Gesicht des Frauenmagazins »ML Mona Lisa«. In Anerkennung ihrer journalistischen Verdienste wurde ihr im vergangenen Jahr die Hedwig-Dohm-Urkunde des Journalistinnenbundes verliehen. In einigen Wochen wird Petra Gerster das ZDF verlassen und in den Ruhestand gehen. Zu hören, zu lesen und zu sehen sein wird sie weiterhin, hoffen wir.

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