
Bahn-Vorständin Sigrid Nikutta über das Essay »Die Kunst des digitalen Lebens: Wie Sie auf News verzichten und die Informationsflut meistern« von Rolf Dobelli:
»Eine radikale Sicht, ein wichtiger Denkanstoß.«
Meine Leidenschaft beim Lesen gehört den Memoiren und persönlichen Sachbüchern von herausragenden Personen. Ein Eintauchen in andere Perspektiven unseres Lebens ist mehr als eine Erweiterung des Blickwinkels. Das reale Leben ist das spannendste Leben. Und wie ich auf die Dinge schaue, bestimmt, wie ich damit umgehen kann und umgehen werde.
Rolf Dobelli ist Gründer und Intendant von »World.Minds«, einer weltweiten Community von spannenden Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Wissenschaft. Die Treffen dort sind so eine Art intellektueller Vitamin-Booster – im Minutentakt neue Denkanstöße und grandiose Ideen. Als ich Rolf Dobelli das erste Mal traf, war gerade sein Buch »Die Kunst des guten Lebens« ein Bestseller. Wir saßen in einem Berliner Café und diskutierten. Er, der ehemalige Manager und jetzt Schriftsteller, und ich, die immer an den Schalthebeln der Wirtschaft sitzen will. Es war, als würden sich in der Diskussion manche Synapsen neu verbinden. »Die Kunst des digitalen Lebens« ist genauso. Der Denkanstoß eines Menschen, der eine andere Sicht auf die mediale Welt hat. Als »News-Junkie« hing Dobelli früher auch stets am Ohr aller Newsfeeds und war immer digital »on«; um zu wissen, was läuft, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Angesichts der russischen Propaganda, die wir derzeit erleben, ist es befreiend, wie Dobelli die digitalen News-Blasen bis hin zur Manipulation entlarvt. Und es ist provozierend, weil er vorschlägt, dass ein Leben ohne Newsticker das eigene Denken befreit – und bessere Entscheidungen hervorbringt. Eine radikale Sicht, ein wichtiger Denkanstoß.
Und dann eine ungewöhnliche Empfehlung. Eine Empfehlung für Kinderbücher. Immer wieder bin ich entsetzt, wie selbst in den modernsten Büchern alte Geschlechterklischees und überholte Denkmuster transportiert werden. Wie wohltuend, wenn es Kinderbücher gibt, die unsere Grundwerte transportieren, und das in spannender Form. »Die Hauptstadtdetektive« des Berliner Rossberg-Verlags ist eine Buchreihe, die über spannende Detektivgeschichten wichtige Themen unserer Zeit vermittelt – wie Demokratie, Meinungsfreiheit, Diversität, Umweltschutz. Und zwar genauso, wie es sein soll – als absolute Selbstverständlichkeit.
Diese Bücher haben mich selbst als Erwachsene begeistert. Nebenbei lernt man auch noch etwas über Berlins Geschichte und Museen, da die Bücher alle dort spielen – und ich verspreche es, die Bücher sind für auch für ältere Kinder wirklich spannend.
Und jetzt komme ich zu der Empfehlung, die besonders wichtig ist für alle, die ukrainische Kinder kennen. Diese Bücher sind zum kostenlosen Download erhältlich. Als DB sponsern wir diese Bücher gerne – und verteilen sie an die Kinder, die mit unseren Zügen in Deutschland ankommen. Sie werden aber nicht nur in ICEs und anderen Zügen, sondern auch in den Willkommenszentren an den Bahnhöfen, in Unterkünften oder Krankenhäusern verteilt. Das zweisprachige Vorlesebuch »Hallo, du kleiner Hase« zeigt einen Tag im Leben des Hasen und seine Erlebnisse bis zur Nacht mit seiner Mutter. Das Wörter-Bilderbuch »Willkommen, liebe Kinder« ist mehr als praktisch. Es zeigt viele Dinge des Alltags – kunterbunt und liebevoll illustriert – und erklärt die Dinge auf Kyrillisch und Deutsch. Vom Sofa bis zum Schulbuch. Merke: Die Sprachen und Schriften könnten unterschiedlicher nicht sein. Aber Angst, Traurigkeit, Hoffnung und Lachen – das spüren wir alle auf gleiche Weise.
»Wo ich hinkomme, brennt es« – so lautete der Titel eines Porträts über Sigrid Nikutta in der ZEIT, schon vor anderthalb Jahren. Seitdem hat sich ihr Aufgabenbereich kaum abgekühlt. Kürzlich wurde gemeldet, dass sie, in ihrer Doppelfunktion als Vorstand Güterverkehr DB AG und Vorstandsvorsitzende der DB Cargo AG, eine Schienenbrücke in die Ukraine einrichten ließ, um zusammen mit der polnischen und ukrainischen Eisenbahn die Menschen im Kriegsgebiet mit Hilfsgütern zu versorgen.
Mit schwierigen Aufgaben kennt sie sich aus: Nach dem Studium war die promovierte Psychologin in den Neunzigerjahren schon einmal für die Bahn tätig, bevor sie 2010 als Vorstandschefin zu den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) wechselte. In bleibender Erinnerung dürfte die dort von ihr initiierte Kampagne »Weil wir dich lieben« sein. Dass die 53-Jährige hier dankenswerterweise auch Kinderbücher empfiehlt, dürfte niemanden überraschen – sie ist fünffache Mutter.