Die Psychotherapeutin und Bestsellerautorin Stefanie Stahl über den Roman »Becks letzter Sommer« von Benedict Wells:
»Ein witziger Roman mit wirklich originellen Figuren, in schnellem Tempo erzählt«
Ich lese wahnsinnig viel. Ich verschlinge Romane, und zwar lese ich sie auf dem Handy. Ein schweres Buch in der Hand zu halten bin ich schon gar nicht mehr in der Lage.
Hörbücher höre ich beim Wandern und Spazierengehen. In letzter Zeit habe ich den Fimmel entwickelt, mir einen Autor, eine Autorin herauszusuchen, und dann höre und lese ich alles von ihm oder ihr hintereinander weg. So ist es jetzt mit Benedict Wells gewesen. Ich habe ihn kürzlich entdeckt und dann ziemlich schnell alles von ihm, etwa »Das Ende der Einsamkeit« und »Becks letzter Sommer«, gehört.
Und das letzte ist meine Empfehlung, als Hörbuch genial gelesen von Christian Ulmen. Er spricht die verschiedenen Stimmen der Figuren sehr gut. Zum Beispiel kommt in der Geschichte ein Schüler aus Litauen vor, der mit einem Ostakzent spricht, den Ulmen perfekt imitiert.
Worum geht es? Robert Beck ist Lehrer, etwa Ende 30, hält sich für leicht angefettet, steckt schon ein bisschen in der Krise. Eigentlich wollte er Musiker werden, hat aber nicht den Schneid gehabt und stattdessen auf die Karte Sicherheit gesetzt. Jetzt hat er einen Schüler, Rauli Kantas, der erst vor Kurzem aus Litauen gekommen ist. Ein Musikgenie auf der E-Gitarre. Beck entdeckt dessen Genialität, will jetzt sein Manger werden. Der Rauli ist eine kuriose Gestalt, hat Geheimnisse, findet Wahrheit manchmal nicht besonders wichtig. Beck will ihn vermarkten, sucht ein Image-Label für Rauli. Allerdings nimmt Beck es mit der Wahrheit auch nicht immer so genau.
Becks bester Freund ist ein Deutschafrikaner namens Charlie, ein Hypochonder und einer, der ständig Ärger anzieht. Nun kommt ein fantastisches Roadmovie zustande, sehr lustig: Die drei, Beck, Charlie und Rauli, machen sich auf den Weg in die Türkei. Nebenbei hat Beck eine neue Liebe gefunden, eine Studentin. Beck, bindungsängstlich, lässt sich nicht richtig auf die Beziehung ein. Seine Gefühle ändern sich jedoch schlagartig, als seine Freundin einen Studienplatz an einer renommierten Uni in Rom erhält.
Ein witziger Roman mit wirklich originellen Figuren, in schnellem Tempo erzählt. Ich bin keine Freundin der langsamen Erzählung, sondern sehr ungeduldig. Der Witz der Erzählung, den man beim Lesen erfasst, ist auch in der Hörbuch-Fassung zu erleben, denn Christian Ulmen mag ja diese Art von Humor. Eine Synthese zwischen einem Roman und einer Erzählstimme. Das ist wunderbare Unterhaltung, und trotzdem hat Wells Tiefgang. Er ist ein kluger, sensibler Kopf.
Identifizieren kann ich mich mit keiner der Figuren. Der Rauli geht mir nahe, weil er von Ulmen so lustig gesprochen wird. Auch Robert Beck ist sehr gut dargestellt. Überhaupt sind Schriftsteller immer auch gute Psychologen, allein durch ihre Beobachtungsgabe. Das bewundere ich, und diesen Robert Beck, der so festgefahren ist mit seinem Phlegma und seiner Bindungsangst, den hat Benedict Wells sehr gut erfasst.
Sachbücher lese ich privat selten, eigentlich ausschließlich Romane. Ich tauche gern in andere Welten ab und finde John Niven sensationell gut. Manchmal ist Niven sehr derb, aber mit Tiefgang. »Gott bewahre« finde ich wunderbar, unglaublich humanistisch, witzig auch. Jesus kommt ein zweites Mal auf die Welt, und wieder endet es böse, aber sehr klug. »Kill your friends« spielt in der Musikindustrie, ebenso wie die Fortsetzung »Kill them all«. Bitterste Satire, aber nichts für zarte Gemüter.
Viel und gern gelesen habe ich auch die Bücher der US-Amerikanerin Taylor Jenkins Reid, etwa ihre Romane »Die sieben Männer der Evelyn Hugo« und »Carrie Sota is back« oder »Daisy Jones an the Six«. Es sind Romane über starke Frauenfiguren, geniale Plots in unterschiedlichen Settings. »Carrie Sota« zum Beispiel spielt in der Profitennis-Szene der Neunzigerjahre.
Neu entdeckt habe ich den österreichischen Autor Daniel Glattauer. Sein Roman »Die spürst du nicht« ist sensationell gut, vom Storytelling her.
Wo ich gern lese? Am liebsten, wenn ich am Wochenende ausgeschlafen habe, vormittags im Bett. Ich mache ungern Frühstück, mein Mann bringt mir Kaffee und Toast dazu. Ein Highlight des Tages.
Die Trierer Psychotherapeutin Stefanie Stahl schreibt sehr erfolgreich – nein, keine Romane, sondern Sachbücher. Bisher sind elf erschienen, soeben »Wer wir sind«. Bekannt wurde sie mit dem Dauerbestseller »Das Kind in dir muss Heimat finden«. »Stefanie Stahl hat etwas geschafft, was längst überfällig war: die Psychologie aus einer fachlichen Nische herauszuholen und sie in die Mitte unserer Gesellschaft zu stellen«, schreibt der Autor Tobias Esch. Ihren Plan, ein Café in Trier zu eröffnen, hat sie inzwischen aufgegeben. Stattdessen hostet sie zwei Podcasts: »So bin ich eben« sowie »Stahl aber herzlich«.