Die Sängerin und Schauspielerin Ute Lemper über »Music of Exile: The Untold Story of the Composers who Fled Hitler« von Michael Haas:
»Die Recherche ist umfassend und versucht die unterschiedlichen Entscheidungen der Künstler zu beschreiben, die fern ihrer Heimat überlebten oder in ihre Heimat zurückkehren wollten.«
Tief beeindruckt hat mich das Buch von Michael Haas: »Music of Exile: The Untold Story of the Composers who Fled Hitler«. Es erzählt vom Schicksal vieler jüdischer Komponisten und Musiker wie Kurt Weill oder Erich Wolfgang Korngold, die in den Dreißigerjahren aus Nazi-Deutschland flohen. Ergänzt wird diese Darstellung durch viele bisher unbekannte Details über deren oft schwierige weitere Existenz in der Fremde.
Die jüdischen Flüchtlinge verharrten verloren zwischen der Herkunft und ihren biografischen Wurzeln, auf der Suche nach neuen und alten Identitäten. Wie konnten sie im Trauma Inspiration finden und kreativ bleiben? Nur wenige etablierten sich als zugewanderte Künstler in neuen Welten. Die meisten Stimmen verstummten, die Federn der Komponisten vertrockneten.
Die Recherche ist umfassend und versucht die unterschiedlichen Entscheidungen der Künstler zu beschreiben, die fern ihrer Heimat überlebten oder in ihre Heimat zurückkehren wollten.
Ist die ursprüngliche künstlerische Identität eines Komponisten für immer in seiner kreativen Seele verankert, auch im Exil? Eine universelle Frage, die auch heute angesichts vieler Künstler aktuell ist, die emigrieren müssen und in alle Welt verstreut leben.
Die Mission des österreichischen Musikproduzenten Michael Haas hat auch mich inspiriert, den Scheinwerfer auf die verloren gegangene oder vergessene Musik und die Schicksale der jüdischen Komponisten zu richten, die fliehen mussten oder versteckt Nazi-Deutschland überlebten.
Meine gesamte musikalische Reise in den vergangenen 40 Jahren basiert auf meiner Begegnung und der Zusammenarbeit mit Michael Haas, dem Musikwissenschaftler, der während der Achtzigerjahre das musikalische Repertoire der Weimarer Republik erforschte und das Label Decca davon überzeugte, eine Serie bedeutender Neuaufnahmen zu starten: »Entartete Musik« widmete sich der Musik, die vom NS-Regime verboten worden war. Unsere ersten Aufnahmen dieser Songs fanden Mitte der Achtzigerjahre in den alten Hansa-Studios neben der Berliner Mauer statt. Als engagierter Gründer des Zentrums für verfolgte Musik Exilarte beschäftigte sich Michael Haas weiterhin mit der Geschichte der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus. Ich bin Michael Haas zu großem Dank verpflichtet.
»Die Zeitreisende: Zwischen Gestern und Morgen«, mit dieser Autobiografie war Ute Lemper kürzlich unterwegs auf Lesetour, quer durch Deutschland. Das Interesse an ihr als Person, als Weltstar ist groß: Kindheit in Münster, Lehrjahre in Wien, erste Auftritte in Berlin, Beginn der Weltkarriere in Paris, später am Broadway. In Gesang, Schauspiel, Musical und Theater hat sie immer wieder für neue Einspielungen und Inszenierungen gesorgt, zwischen »Cats«, »Blauem Engel« und »Cabaret«. Ihre Interpretationen von Songs von Kurt Weill, Edith Piaf oder Jacques Brel haben Maßstäbe gesetzt. Unvergessen ihr dreistündiges Telefongespräch 1987 mit Marlene Dietrich, das zur Grundlage ihrer Show »Rendezvous mit Marlene« wurde. Ute Lemper lebt in New York.