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Wencke und Penelope Tzanakakis über das Kinderbuch »Menschen« des Illustrators Peter Spier:

»Wir gehen damit gemeinsam auf Weltreise – im Kopf«

Gerade in diesem Sommer nach fast eineinhalb Jahren des Aufsichselbst­zurückgeworfenseins empfehle ich Ihnen »Menschen« von Peter Spier. Ein Klassiker über die Vielfalt in unserer Welt. Der Kinderbuchillustrator Peter Spier (1927–2017) hatte jüdische Wurzeln, wurde in Holland geboren und war während des Zweiten Weltkriegs im Konzentrationslager Theresienstadt inhaftiert. Später in die USA ausgewandert, schuf er ein paar der beliebtesten englischsprachigen Kinderbücher des 20. Jahrhunderts »for the kids and the child within myself«, wie er kurz vor seinem Tod sagte. Aber all das wusste ich nicht, als ich vor einigen Jahren »Menschen« in der Buchhandlung kaufte. Meine Tochter Penelope muss damals etwa vier Jahre alt gewesen sein. Sie mochte Wimmelbücher. Ich meist nicht. Und »Menschen« wirkte wie ein Wimmelbuch mit seinen vermutlich 100 Figuren auf einer Einzelseite. Aber in »Menschen« muss kein Held gefunden werden, hier gibt es keine Hauptfigur, weil alle spannend sind. Spier erzählt mit seinen handgezeichneten Illustrationen und nur wenigen Worten von Unterschieden und Gemeinsamkeiten unter uns Menschen. Dabei ist Spier teilweise kulturhistorisch akkurat und im nächsten Moment fast albern, etwa wenn er zeigt, wie unterschiedlich unsere Nasen, Ohren, Frisuren, Haustiere, Hobbys, Geschmäcker, Ferien, Schriftzeichen oder Kleider aussehen – die Stelle mit den 54 verschiedenen Nasen ist Penelopes absolute Lieblingsstelle im Buch. Wir alle werden geboren, wir alle sterben und ob wir dazwischen Piercings, Make-up oder Tattoos auf der Haut tragen – diese Unterschiede sollten uns nicht irritieren: »Stell dir nur vor, wie entsetzlich langweilig unsere Welt wäre, wenn alle gleich aussähen, dasselbe essen, denken, anziehen und sich gleich verhalten würden!«, so Spier in seinem Buch. Meine Tochter wird in wenigen Wochen acht Jahre alt, hat keine Bilderbücher mehr im Regal, doch »Menschen« ist weiterhin geblieben. Es ist eines der Bücher, das sie immer wieder in die Hand nimmt, und wir gehen damit auch gemeinsam auf Weltreise – im Kopf.

Wencke Tzanakakis leitet die Freunde der ZEIT, das Programm für alle ZEIT-Abonnentinnen und -Abonnenten. Zuvor war sie beim Magazin »stern« und als freie Coachin bei verschiedenen Medien in Deutschland und der Schweiz tätig. Bei der ZEIT hat sie seit nun fünf Jahren ihr berufliches Zuhause gefunden. Und auch ihre Tochter Penelope gehört fest zum Inventar. Dass die beiden dann auch noch eine gute Buchempfehlung in der Tasche haben, macht das Arbeiten mit ihnen umso geselliger.

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