Wolfgang Ischinger, Ex-Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, über »Die Kunst der Diplomatie«, herausgegeben von Tobias Bunde und Benedikt Franke:
»Es ist eine Art Coffee-Table-Book mit hervorragenden Fotos von Szenen, die bei der Münchner Sicherheitskonferenz entstanden sind.«
Ein Buch, das mir kürzlich besonders gut gefallen hat, und eines, das ich jetzt immer wieder zur Hand nehme, heißt »Die Kunst der Diplomatie« und ist im Econ Verlag erschienen. Es wiegt tatsächlich mehrere Kilogramm, enthalten sind darin sehr persönliche Beiträge von mehr oder minder berühmten Außenpolitikern aus der ganzen Welt. Herausgegeben wurde das Ganze von zweien meiner Mitstreiter, Tobias Bunde und Benedikt Franke.
Es ist eine Art Coffee-Table-Book, mit hervorragenden Fotos von Szenen, die bei der Münchner Sicherheitskonferenz entstanden sind, nicht nur in München, sondern auch in Peking, Moskau, Brüssel oder Washington etc. Ich kann es jedem empfehlen, der sich für Fragen interessiert wie: Was ist mit der Diplomatie in der Ukraine passiert? Wieso ist sie im Augenblick auf das Abstellgleis geraten, wieso kann sie nichts beitragen zu Friedensverhandlungen oder zumindest einem Waffenstillstand?
Dazu muss ich erläutern, dass die Münchner Sicherheitskonferenz seit 2008 regelmäßig auch Veranstaltungen über das Jahr hinweg an anderen Orten anbietet – regionale Foren, auf denen Fragen erörtert werden, für die im Rahmen der regulären jährlichen Sicherheitskonferenz in München zu knapp Gelegenheit ist.
Dieses Buch ist ohne mein Wissen entstanden und und es ist auch nicht das, was man üblicherweise unter einer Festschrift versteht. Es erklärt vielmehr, wie Diplomaten arbeiten, was zu ihrem Werkzeugkasten gehört, welche Überzeugungen ihnen wichtig sind etc. Ein Beispiel: Johannes Hahn, der österreichische Politiker, Mitglied der EU-Kommission für Haushalt und Verwaltung, hat einen Beitrag geschrieben unter dem Titel »Mit Pizza Vertrauen bilden«. Darin schildert er einen Verhandlungsprozess zwischen Nordmazedonien und Griechenland, und er schreibt den Erfolg dieser Gespräche der Tatsache zu, dass es immer wieder eine richtig gute Pizza gegeben habe.
Ein anderer Beitrag befasst sich mit der Wahl des Ortes, an dem Verhandlungen stattfinden. Dabei kann man an die Glienicker Brücke denken, auf der während des Kalten Krieges hin und wieder ein Agentenaustausch stattfand, oder auch an das winzige Häuschen auf Island, in dem sich im Oktober 1986 Ronald Reagan und Michail Gorbatschow trafen. Ungeachtet der Wünsche der Gäste hatten sich die Gastgeber für diesen Ort entschieden, um zu verhindern, dass Scharen von Referenten und Begleitpersonen mit dabei waren. Es sollte gleich auf Augenhöhe gesprochen werden. Der Durchbruch bei den strategischen Verhandlungen gelang. Der Austragungsort ist keine Nebensache! Bei Verhandlungen in Helsinki, ein anderes Beispiel, kam ein Mitarbeiter einmal auf die Idee: Wir nehmen einen Eisbrecher! Dafür gibt es in Finnland riesige Schiffe. Es wurde auf einem solchen Schiff getagt, und die Symbolik des Ortes war offensichtlich.
Natürlich lese ich auch Fiktion, komme aber selten dazu. Ein ganzer Stapel davon wartet noch. Dafür verschlinge ich seit Jahrzehnten jeden halbwegs gut geschriebenen Spionagethriller. Natürlich habe ich sämtliche von John le Carré gelesen, auch den jüngsten, nach seinem Tod erschienenen, »Silverview«. Er ist allerdings nicht einer seiner besten. Le Carré hatte immer ein Gefühl für die Atmosphäre eines Ortes und die Stimmung während des Kalten Krieges in Europa, zum Beispiel auch in seinem ganz frühen Roman »Eine kleine Stadt in Deutschland«, der in Bonn spielt. An seine feinen Beobachtungen, wie er die inneren Geheimnisse von Menschen schildert – an diese raffinierten Erzählungen reichen viele andere Autoren nicht heran.
Der 1946 geborene Jurist Wolfgang Ischinger ist einer der erfahrensten Diplomaten der Bundesrepublik. Er war Staatssekretär im Auswärtigen Amt und viele Jahre lang Botschafter in Washington und London. Von 2008 bis 2022 leitete er die Münchner Sicherheitskonferenz. Auf dem internationalen Parkett ist er als einfühlsamer Zuhörer ebenso bekannt wie als zäher Verhandler in Fragen von Krieg und Frieden. Als Honorarprofessor lehrt er Politikwissenschaften in Tübingen und an der Berliner Hertie School.