Ildikó von Kürthy, Schriftstellerin:

»Lesen ist ein Vergnügen. Aber Schreiben ist ein Segen.«

 

Bücher zu empfehlen ist eine freche Vermessenheit. Es ist, als würde ich meinen Mann weiterempfehlen. Nur weil er mir gefällt, muss er anderen nicht auch gefallen. Und noch dazu gefällt er mir nicht immer. Dazu später.

Meine Bücher sind meine Privatsache. Ich wähle sie nach rein egozentrischen Motiven aus. Suche ich Schutz oder Inspiration? Will ich vor der Welt fliehen oder mich mit ihr auseinandersetzen? Möchte ich mich vergessen oder möchte ich mich finden?

Wie soll ich Ihnen guten Gewissens ein Buch empfehlen? Ich weiß nichts über Sie. Sind Sie eher ängstlich, so wie ich? Sind Sie eine Draufgängerin? Brauchen Sie Trost, Ablenkung oder möchten Sie Ihr Wissen vermehren? Ich weiß nicht, was Sie suchen und was Sie quält, ich kenne Ihre Sehnsüchte nicht. Lassen Sie uns so tun, als wären wir uns vertraut und auf das »Sie« verzichten.

Du bist meine Freundin. Ich kenne Deine Ängste, Deine Interessen, ich weiß, dass Du Dir mitunter die »Zeit« kaufst und dann womöglich viel weniger darin liest, als Du Dir vorgenommen hast. Ich weiß, dass Du manchmal nicht einschlafen kannst, weil Du eine Sorgenmacherin bist. Deine Kinder, Deine Ehe, Dein Beruf, Deine sterbende Mutter, das Klima, der Krieg und der kommende Winter.

Die Rettung in solchen dunklen Stunden sind alle Bücher von Eve Chase, Dorothy L. Sayers und Richard Osman. Feine Unterhaltung, sanfte Spannung, die Dich wohltuend und mühelos aus Deinem Gedankendickicht hinausgeleitet. Wenn Du Dich beim Lesen etwas mehr anstrengen möchtest, dann lies »Das Geheimnis von Zimmer 622« von Joel Dicker. Das ist meisterlich konstruiert, und Du darfst keinen Satz verpassen. Schneller als Du denkst ist die Nacht vorbei. Dann bist Du zwar unausgeschlafen, aber es ist wenigstens wieder hell.

Ich weiß, dass Du Dich immer wieder allein fühlst, dass Du Glück suchst und gar nicht mehr sicher bist, ob Du noch an Glück glaubst. Dir fehlt Hoffnung in manchen Momenten und eine Idee für Dein Wesen, das wachsen möchte und doch oft so verzagt ist. Manchmal fürchtest Du, dass Dein Leben viel mehr sein könnte als das, was es ist, und Du hast Sehnsucht, ohne zu wissen wonach. Dann lies »Der unendliche Augenblick« von Natalie Knapp, »Zuversicht« von Melanie Wolfers, »Ungezähmt« von Glennon Doyle und »Geständnisse einer Teilzeitfeministin« von Heike Kleen. Das sind Bücher, in denen Du Dich wiederfindest, wenn Du Dich verloren hast. Warmherzig, klug und tröstend. Ich weiß, dass Du mehr erfahren willst über Dich, das Leben, die Anderen. Ich weiß, dass Du Dich nach Antworten sehnst und, das vor allem, nach Fragen. Gute Fragen können ärgerlich sein und kaum zu ertragen, aufwühlend, gnadenlos, quälend und erlösend. Sie sind kostbare Geschenke zur Selbsterkenntnis und Reife. Wenn Du Dich gerade mutig fühlst, einen niedrigen Ruhepuls und einen soliden Blutdruck hast, dann wage Dich an die beiden Fragenbücher von Sven Michaelsen: »Mitten im Leben – wo mag das sein?« und »Warum hat das Unglück mehr Phantasie als das Glück?«. Sven ist mein Mann, und Du kannst Dir vorstellen, dass das Zusammenleben mit einem, der sich solche Fragen ausdenken kann und viele der Antworten darauf kennt, nicht ganz unanstrengend ist. Mein Ausgleich sind die »Muschelsucher« von Rosamunde Pilcher und »Kleiner König Kalle Wirsch« von Tilde Michels. Lach nicht. Diese Bücher sind alte Freunde von mir, ich kenne sie in- und auswendig und sie mich auch.

Ein letztes Buch möchte ich Dir noch ans Herz legen, liebe Freundin: Dein Tagebuch. Schreib Dir Dein eigenes Lieblingsbuch voller Trost, Fragen, Wärme und Zweifel. Denn Lesen ist ein Vergnügen. Aber Schreiben ist ein Segen.

Sehr herzlich,
Deine Ildikó

 

Auf die Frage, warum sie Schriftstellerin geworden sei, antwortet die entschiedene Hamburger Rheinländerin Ildikó von Kürthy etwas kokett: »Weil ich nichts anderes konnte«. Das stimmt absolut nicht, denn schon bevor sie sich entschloss, Bücher zu schreiben, arbeitete sie sehr erfolgreich als Journalistin, schrieb für den stern und die Brigitte. 1999 erschien »Mondscheintarif«, und dass das ziemlich lange her ist, sieht man daran, dass heute kaum noch jemand weiß, was das sein soll, während das Buch immer noch ein Verkaufserfolg ist. Ildikó von Kürthys Bücher – erschienen sind bisher zehn Romane, drei Sachbücher und ein Kinderbuch – werden gern als »mitreißend, warmherzig und witzig« beschrieben und haben ihr eine riesige Fangemeinde beschert. Eben erschienen ist »Morgen kann kommen«. Da sie Lesungen hasst, ist sie auf die Idee gekommen, Bücher als Show zu präsentieren, eine Mischung aus Lesung, Gesang, Theater und Comedy. Was soll man sagen: Es läuft. 

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