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Die NDR-Moderatorin und Autorin Bettina Tietjen über den Roman »Max, Mischa und die Tet-Offensive« von Johan Harstad:

»Ich habe mich in alle zehn Hauptpersonen verliebt und den Trennungs­schmerz der letzten Seite erst nach Wochen überwinden können.«

 

»Ein tollkühnes Experiment!« – mit diesen Worten empfahl mir vor drei Jahren eine Buch­händlerin das Werk »Max, Mischa und die Tet-Offensive« von Johan Harstad. Da ich sowohl literarische Experimente als auch sehr dicke Bücher mag, ließ ich mich auf die knapp 1300 Seiten des norwegisch-amerikanischen Autors ein. Nach kurzer Irritation (der Anfang ist etwas schleppend) konnte ich mich nicht mehr lösen von dieser wahn­witzigen Mischung aus echter und fiktiver Autobiografie, Künstler­milieustudie, Liebes­geschichte und Aufarbeitung des amerikanischen Vietnam-Traumas.
Im Grunde geht es in der wild zwischen den vier Jahrzehnten von 1970 bis 2012 hin und her springenden Erzählung um alles: Krieg (erschreckend aktuell),Liebe, Tod, Kunst, Postmoderne, Drogen, Familie, Freundschaft, Rassismus, Homo­sexualität, Freiheit. Und es geht um die Sehnsucht. Eine schmerzhaft-schöne Sehnsucht nach Heimat, nach Zuhause – danach, irgendwohin, zu irgendwem zu gehören.
Mich hat das Buch mit­gerissen wie keiner der anderen dicken Schmöker, die ich den letzten Jahren gelesen habe. Ich habe mich in alle zehn Haupt­personen verliebt und den Trennungs­schmerz der letzten Seite erst nach Wochen überwinden können.

Was hängen bleibt? Der Blick auf das faszinierende Foto der Schau­spielerin Shelley Duvall auf dem Cover (steht in meinem Bücher­regal ganz vorne), das mich stets an die verrückte Geschichte dahinter erinnert. Eine lange Liste von Filmen, die ich schon immer mal sehen wollte oder sehr lange nicht mehr gesehen habe. Die Vor­freude darauf, dass ich in dieses Buch in ein paar Jahren noch einmal abtauchen werde.

Und was ich sonst so lese? Immer wieder meine Lieblinge Jonathan Frantzen, Jonathan Safran Foer, Richard Powers, Paul Auster, James Baldwin. Neu kennen- und lieben gelernt habe ich vor Kurzem die deutsche Autorin Mariana Leky. »Was man von hier aus sehen kann« hat alles, was ein Buch braucht: eine feine, kunstvolle und trotzdem schlichte Sprache und eine versponnene Geschichte voller Humor, Liebe und Trauer.
Eine Schluss­bemerkung noch: Sollten Sie das Buch »Das Wetter vor 15 Jahren« von Wolf Haas noch nicht gelesen haben, bitte sofort nachholen. Falls eine Fee mir irgendwann mal anbietet, mir einen Wunsch zu erfüllen: So möchte ich schreiben können.

Bettina Tietjen, Jahrgang 1960, hat schon während ihres Studiums der Germanistik Romanistik und Kunst­geschichte begonnen, als Journalistin zu arbeiten. Seit vielen Jahren moderiert sie die Fernseh­sendung »DAS!« im NDR und seit Langem auch die »NDR Talk Show«, jetzt zusammen mit Jörg Pilawa. Seit drei Jahren kurvt Bettina Tietjen außerdem mit Gästen über Camping­plätze (»Tietjen campt«) und lernt dabei Deutschland von der sommerlichen Seite kennen. Ihr Buch »Unter Tränen gelacht. Mein Vater, die Demenz und ich« wurde ein Bestseller. Soeben ist ihr Buch »Früher war ich auch mal jung« erschienen, eine Zeitreise zurück in ihr Erwachsen­werden, ergänzt durch nachdenkliche Kommentare und frische Einsichten.

 

Max, Mischa und die Tet-Offensive

Johan Harstad (2019)

Max Hansen wächst im norwegischen Stavanger der Achtzigerahre auf, wo die Väter für Monate auf Ölplattformen verschwinden, während die Kinder im Märchen­wald Vietnam­krieg spielen. Ein Idyll – bis Max‘ Familie in die USA emigriert. Dort macht er sich auf die Suche nach seinem geheimnisvollen Onkel, einem Vietnam­kriegs-Veteranen, mit dem sein Vater vor langer Zeit gebrochen hat. Max und seine Freundin Mischa finden ihn und ziehen schon bald bei ihm ein. Für einen Moment scheint es, als hätte Max ein Zuhause in der unkonventionellen WG gefunden.
Der norwegische Autor Johan Harstad schreibt in seinem welt­umspannenden Roman, der von Ursel Allenstein übersetzt wurde, darüber, dass Heimat vor allem in uns ist und Familie eine Frage der Interpretation. Er erzählt eine Geschichte über Haltung, Aufrichtigkeit, Freundschaft und Mädchen und wie sehr man sie lieben kann. Lesen Sie zu dem Roman auch die Rezension von Iris Radisch in der ZEIT.

 

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