Der Film- und Fernsehproduzent Nico Hofmann über »Abschiedsfarben« von Bernhard Schlink

»In gewisser Weise ist das Buch ein sehr genauer Blick auf Lebensbedingungen, es erörtert auf unterschiedliche Weise die Frage, wie wir zusammenleben wollen.«

 

Welches Buch hat Sie kürzlich begeistert?
Zuletzt sehr begeistert hat mich das neue Buch von Bernhard Schlink, »Abschiedsfarben«. Es ist unglaublich vielschichtig in seiner Direktheit, und beinahe jede der Geschichten in diesem Band hat bei mir eine Reflexion über eigene Erfahrungen ausgelöst, etwa über meine Eltern, die beide noch leben. Der Begriff Farben gefällt mir in diesem Zusammenhang gut, auch weil Abschied ja etwa Melancholisches ist. Ich bin mit Bernhard Schlink befreundet, er lässt mich bei jedem meiner Filme wissen, was er davon hält. Aber unabhängig davon hat jetzt »Abschiedsfarben« in meinem Lebensabschnitt viele eigene Probleme und Reflexionen aufgemacht. Ich bin im vergangenen Jahr 60 geworden.

Was macht das Buch für Sie gerade jetzt aktuell?
Zunächst könnte man denken, dass »Abschiedsfarben« eine individuell relevante Lektüre ist. Aber tatsächlich besitzt es eine große gesellschaftliche Aktualität; das hat natürlich mit Corona zu tun. Durch die Pandemie beschäftigen wir uns einerseits zwangsläufig stärker mit Familienangelegenheiten und werden andererseits zur Entschleunigung gezwungen. In gewisser Weise ist das Buch ein sehr genauer Blick auf Lebensbedingungen, es erörtert auf unterschiedliche Weise die Frage, wie wir zusammenleben wollen. Dabei ist es auf angenehmste Weise kein didaktischer Ratgeber. Wir haben auf die Pandemie politisch sensibel und gesellschaftlich sehr solidarisch reagiert – das ist mit Blick auf andere Länder wie die USA oder Brasilien geradezu vorbildlich.

Und was lesen Sie sonst so?
Ich bin ein Zeitungs-Aufsauger, lese DIE ZEIT, den »Spiegel« und einige Tageszeitungen. Aber am Wochenende mache ich einen klaren Cut und lese für mich. Ich habe mir angewöhnt, mir dann Zeit zu gönnen, 48 Stunden, wenn möglich, auch im Sinn einer Entschleunigung. Zeit zum Lesen! Manchmal fahre ich mit dem Boot hinaus und lese auf dem Wasser.
Literatur hat mich im vergangenen Jahr noch einmal ganz neu begeistert, weil es eine Ruhe in mir erzeugt. Jetzt habe ich beispielsweise die biografischen Schriften von Thomas Bernhard entdeckt aus dem Residenz Verlag, eine großartige Gedankenwelt über Abschiednehmen und Sterben. Das geht alles in die gleiche Richtung, etwa auch mithilfe von Michael Bordts »Die Kunst, die Eltern zu enttäuschen«. Diesen kleinen Band hat mir Elisabeth Sandmann empfohlen, die Münchner Verlegerin, mit der ich auch befreundet bin. Das liest man in einer Stunde durch, aber es wirkt nach – großartig.

Nico Hofmann ist ein erfolgreicher Film- und Fernsehproduzent (z.B. »Unsere Mütter, unsere Väter«, »Ku’damm 56« und »Charité«). Seit 2017 ist Hofmann CEO der Ufa mit Sitz in Potsdam-Babelsberg

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