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Der Schriftsteller Ewald Arenz über den Roman »Die Molche« von Volker Widmann:

»Das Buch hat mich vor allem durch die Poesie der Naturbeschreibungen verzaubert.«

 

Früher war es für mich Ehrensache, jedes begonnene Buch auch bis zum Ende zu lesen. Heute kann ich das nicht mehr. Wahrscheinlich deshalb, weil es einfach so viele Bücher gibt und ich nicht mehr so viel Zeit habe wie als Jugendlicher, der für einen zehntägigen Urlaub mit den Eltern zwanzig Bücher mitnahm, damit der Lesestoff nicht ausging. Umso schöner ist es, wenn mich ein Buch von Beginn an fesselt; manchmal auch ohne dass ich gleich weiß, warum. »Die Molche« von Volker Widmann ist so ein Roman. Dabei ist es zunächst eine sehr dunkle Geschichte, die mit dem Tod eines Jungen beginnt. Aber aus diesem beklemmenden Anfang entwickelt sich die fast magisch erzählte Geschichte im Übergang zwischen Kindheit und Jugend. Da ist eine Flüchtlings­familie im ländlichen Bayern in den Fünfzigerjahren, die trotz ihrer Bemühungen nicht akzeptiert wird. Max bleibt nach dem Tod seines Bruders ein Außenseiter, der erst sehr langsam Freunde findet. Deshalb streift er durch Wald und Wiesen, schwimmt in sommerlichen Flüssen und Teichen, erkundet verlassene Forst­häuser und entdeckt ganz nebenbei die wundervolle Schönheit der Natur um ihn. Nach und nach gewinnt er Freunde, und dann blüht auch – ganz zart erzählt – die erste Liebe auf. Es ist ein spätes Debüt, was diesen Roman noch spannender macht. Volker Widmann hat mit 68 Jahren sein erstes Buch vorgelegt, das mich vor allem durch die Poesie der Natur­beschreibungen so bezaubert hat, sodass ich es in einem Zug durchgelesen habe, was bei mir nicht mehr so oft vorkommt.
Was wir lesen … ach: Da sind ja noch die vielen Bücher, die ich immer und immer wieder aus dem Regal nehme, um sie erneut zu lesen. Es ist wie Heimkehren, und es spricht für diese Bücher, dass sie mir jedes Mal noch etwas zu sagen haben. Zwei davon muss ich hier noch eben nennen: Das eine ist »Der Großtyrann und das Gericht« von Werner Bergengruen. Ein Roman, dessen Geschichte nicht altert. Ganz im Gegenteil ist die Frage nach der Schuld der Mächtigen und danach, wie wir uns beherrschen lassen wollen, so aktuell wie je. Außerdem ist es wunderbar geschrieben.
Das andere ist mein Buch der lichten Stunden. Es hat mein Lieben und mein Schreiben beeinflusst, seit ich es mit neunzehn Jahren das erste Mal las. »Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte« von Kurt Tucholsky. Gerade jetzt, im Sommer, sollte man diese kleine, freche, federleicht liebevolle Erzählung auf jeden Fall für sich entdecken.

Den Lehrer und Schriftsteller Ewald Arenz müssen wir hier in der Community wohl kaum vorstellen. Wenn wir nach Ihren Lieblings­titeln für die unterschiedlichsten Lebens­lagen fragen, können wir sicher sein, dass auch sein Name fällt. Unlängst haben Sie »Der große Sommer« auf die Liste »Bücher, die für Urlaubsstimmung sorgen« nach ganz oben gevotet. Höchste Zeit also, dass Arenz an dieser Stelle nun auch selbst einmal verrät, was er liest. Und weil nach dem Sommer der Herbst und damit die Birnen­erntezeit kommt, möchten wir Ihnen auch unbedingt noch seinen Roman »Alte Sorten« ans Herz legen. Darin erzählt Arenz die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei sehr ungewöhnlichen Frauen, die sich auf einem Obsthof kennenlernen.

 

Die Molche

Volker Widmann (2022)

Der elfjährige Max hat es als Zugezogener in der Nachkriegszeit in einem bayerischen Dorf schwer, Freunde zu finden. Er und sein verträumter Bruder sind die idealen Opfer für eine Bande derber Dorfjungen. Und so schauen alle zu, wie Max’ Bruder eines Tages in die Enge getrieben wird, der Erste einen Stein wirft, dann ein Stein nach dem anderen fliegt. Der Junge stirbt. Max hat zugesehen und aus Angst nicht geholfen. Geplagt von seiner Schuld und dem Schmerz über den Verlust seines Bruders, flüchtet er sich in seine Streifzüge in die Umgebung des Dorfes und in seine Beobachtungen der Natur, deren Schönheit ihm Trost spendet.
»Die Molche« ist Volker Widmanns Debüt­roman. Neben seiner Tätigkeit als Schrift­steller berät er soziale Unternehmen und veranstaltet Konzerte mit zeitgenössischer improvisierter Musik. In seiner Heimat ist er auch bekannt als Vorstand des Dachauer Jazz e. V.

 

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