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Der langjährige »Tagesthemen«-Moderator und Autor Ulrich Wickert über den Roman »Montaignes Katze« von Nils Minkmar:

»Für mich ist es einer der größten Romane der letzten Zeit, spannend und mit großem Wissen über die damalige Zeit geschrieben.«

 

Welches Buch hat Sie kürzlich richtig begeistert?

Ich habe gerade mit größtem Vergnügen und Interesse den Roman »Montaignes Katze« von Nils Minkmar gelesen. Im Jahr 1584 wird Montaigne von der französischen Königs­witwe Catherine de Medici beauftragt, den hugenottischen König von Navarra, Henri, zu über­reden, als Thronfolger bereitzustehen und die französische Krone zu übernehmen, sobald der letzte Valois stirbt. Denn Henri als Bourbone wäre der rechtmäßige Erbe des Amtes.
Für mich ist es einer der größten Romane der letzten Zeit, spannend und mit großem Wissen über die damalige Zeit geschrieben. Die Handlung läuft gekonnt auf ein Treffen von Montaigne mit Henri de Navarre auf dem Hof einer Bäuerin zu, in dem der Essayist dem König von Navarra ausmalt, was er als König Frankreichs bewirken könnte. Das liest man mit Schmunzeln, wenn man weiß, was daraus später wurde. Minkmars Personen, die armselige Zeit der Religionskriege und raubenden Banden und das tägliche Leben werden vor dem Auge des Lesers wie in einem Film gemalt. Auch wenn es um Geschichte, Philosophie oder Montaignes Gedanken geht, fühlte ich mich stets bestens unterhalten, denn Minkmar erzählt seine Geschichte schnell, weitgehend im Dialog, wie es eher die großen amerikanischen Autoren schreiben.

Handelt es sich um ein Buch, das Ihrer Meinung nach gerade jetzt aktuell ist?

Montaigne ist dank seiner Essays immer aktuell. Und wer Politik in Frankreich und die ständigen Kämpfe um die Macht des Monarchen im Elysée verstehen will, sollte dieses Buch lesen. Der Roman gibt allerdings auch all jenen Futter, die ein wenig mehr in die französische Identität eintauchen wollen. So erklärt es etwa, weshalb heute so viele
Restaurants in Frankreich »La Poule au Pot« heißen. Henri de Navarre wurde zu Henri IV von Frankreich und ist heute noch der beliebteste König der Franzosen.

Was bleibt nach der Lektüre hängen?

Das Erleben einer ziemlich ungemütlichen Zeit und die Frage, ob es sinnvoll ist, die Macht zu erstreben.

Und was lesen Sie sonst so?

Eben habe ich »Maria Stuart« von Stefan Zweig gelesen, eine unglaubliche Geschichte, die mir die Person von Elisabeth II., die mit Maria Stuart verwandt war, und die Rolle des britischen Königs­hauses näherbrachte. Der Roman ist so beeindruckend, besonders die Rolle und »Sturheit« von Maria Stuart, dass ich ein paar Tage lang zu keinem anderen Buch greifen wollte. Zu Montaignes Katze könnte jetzt aber auch Stefan Zweigs »Marie Antoinette« passen.

 

Kürzlich, genauer: am 20. September dieses Jahres, war Ulrich Wickert plötzlich wieder in den »Tagesthemen« zu sehen – jener Nachrichten­sendung, die er 16 Jahre lang moderiert hatte, was ihn zu deren dienstältestem Sprecher machte. Ein Rekord, der an diesem Tag von seiner Nachfolgerin Caren Miosga eingestellt wurde. Unvergessen bleibt der Augen­aufschlag, mit dem er am Schluss jeder Sendung dem Publikum »eine geruhsame Nacht« wünschte.
Als Korrespondent war der 1942 in Tokio geborene Wickert dem Fernseh­publikum zuvor aus Washington, New York und Paris vertraut, und legendär bleibt sein kühnes Experiment, im Selbstversuch als Fußgänger die Place de la Concorde zu überqueren, ohne auf den Verkehr zu achten. Wegen seiner Verdienste um die deutsch-französischen Beziehungen wurde er zum Offizier der Ehren­legion ernannt. Zahlreiche Bücher hat er geschrieben, unter anderen den Bestseller »Der Ehrliche ist der Dumme: Über den Verlust der Werte« und »Vom Glück, Franzose zu sein. Unglaubliche Geschichten aus einem unbekannten Land«. Pünktlich zur Buchmesse erscheint nun im Piper Verlag sein nächster Krimi aus der Jacques-Ricou-Reihe. Er heißt »Die Schatten von Paris«, und wir sind schon sehr gespannt.

 

 

Montaignes Katze

von Nils Minkmar (2022)

In einer Winternacht des Jahres 1584 reitet ein geheimnisvoller Besucher zum Schloss von Michel de Montaigne, der gerade mit Frau und Tochter Karten spielt. Montaigne, Diplomat, Philosoph und Menschenkenner, wird gemeinsam mit seiner Frau Françoise nach Paris gerufen, in die vor Unruhen gärende Stadt, die sich auf keinen König einigen will. Der Autor Nils Minkmar lässt in seinem Debütroman »Montaignes Katze« eine Welt entstehen, die der unsrigen überraschend gleicht und uns daran erinnert, dass heute wie im 16. Jahrhundert vielleicht nur Entdeckerfreude, Katzen und Melonen uns zu retten vermögen. Neben seiner Autorentätigkeit schrieb Minkmar, der die deutsche und die französische Staats­angehörigkeit besitzt, bereits als Redakteur für die ZEIT, den »Spiegel« und die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«. Aktuell arbeitet er im Feuilleton der »Süddeutschen Zeitung« und betreibt den Blog »Der siebte Tag«.

 

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